Amtsgericht Augsburg:Richterin auf der Anklagebank

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Als Vorsitzende eines Sportvereins hat eine Richterin Spendenquittungen verteilt, nun wurde sie wegen Steuerhinterziehung verurteilt. Einer Schuld ist sie sich aber nicht bewusst - dafür habe sie zu wenig Ahnung von Steuern.

Von Stefan Mayr, Augsburg

Dass ein Amtsrichter eine Amtsrichterin zu einer Geldstrafe in Höhe von 19 500 Euro verurteilt, kommt nicht jeden Tag vor. Am Freitag geschah genau dies im Augsburger Strafjustizzentrum, das Ganze ging nicht ohne heftige Nebengeräusche über die Bühne: Noch während der Urteilsbegründung artikulierte die 57-jährige Angeklagte ihren Unmut über ihren Kollegen: Sie forderte ihn auf, endlich zum Punkt zu kommen, und verließ noch vor Ende seiner Ausführungen den Sitzungssaal. Nicht ohne die Tür krachend zuzuschlagen.

Der Richter setzte seine ausführliche Zusammenfassung des Prozesses fort und begründete detailliert, warum er die Juristin wegen Steuerhinterziehung verurteilte. Die Angeklagte war Vorsitzende eines Sportvereins, als solche stellte sie im Laufe der Jahre zahlreiche Spendenquittungen an Klubmitglieder aus. Diese waren mitunter als ehrenamtliche Trainer oder Betreuer tätig, andere dagegen waren lediglich als Sportler aktiv. Die Mitglieder reichten diese Spendenquittungen beim Finanzamt ein, um die Beträge von der Steuer abzusetzen.

Vorgehen "für einen Juristen unwürdig"

Auf dieses Zubrot müssen die Leute jetzt aber verzichten, das Gericht wertet diese Praxis als illegal. "Sie haben ohne gesetzliche Grundlage bestimmt, dass der Staat Geld gibt", sagte der Richter Michael Nißl. "So eine gesetzliche Regelung gibt es nicht, und das wussten Sie." Er bezeichnete das Vorgehen seiner Kollegin als "gerade für einen Juristen unwürdig" und bezifferte den Schaden für den Staat auf 16 000 Euro.

Er verurteilte die Richterin wegen Steuerhinterziehung in drei Fällen, versuchter Steuerhinterziehung in zwei Fällen und Beihilfe zur Steuerhinterziehung in acht Fällen. Dabei klammerte er die Frage aus, ob sich die Angeklagte selbst durch Spendenquittungen bereicherte. Weil sie zu 150 Tagessätzen verurteilt wurde, muss sie mit einem Eintrag ins Führungszeugnis leben; ob sie ihren Job behalten darf, entscheidet nun ihr Dienstvorgesetzter.

Richterin habe sich nicht über Steuern informiert

Während des Verfahrens hatte die angeklagte Richterin zu ihrer Verteidigung eingeräumt, sie habe sich zuvor nicht über das Thema Steuern informiert. Diese Aussage nahm der Richter mit Verwunderung zur Kenntnis. Als hauptberufliche Amtsrichterin sei sie regelmäßig mit Steuergesetzen befasst, betonte er. In ihrem Schlusswort wies die Angeklagte die Vorwürfe nochmals entschieden zurück: "Ich halte mich von Berufs wegen an Gesetze." Diese Feststellung beeindruckte den Richter offenbar wenig.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Anwalt der Angeklagten war nach der Urteilsbegründung nicht mehr zu befragen, ob er Rechtsmittel einlegen wolle. Er hatte sein Mandat bereits vor dem letzten Prozesstag niedergelegt.

© SZ vom 29.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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