Amoklauf in fränkischen Ansbach:Von langer Hand geplant

Lesezeit: 3 min

Laut Staatsanwaltschaft verhärten sich die Hinweise, dass Georg R. seinen Amoklauf lange geplant hat. Dafür sprechen Briefe, ein Testament - und ein Verweis auf den 11. September 2001.

Der Amokläufer von Ansbach hat seine Tat offenbar gezielt geplant. Ermittler fanden in seinem Zimmer ein handgeschriebenes Testament sowie ein Kalenderblatt mit dem Datum des Amoklaufs vom Donnerstag und der Aufschrift "Apocalypse Today", wie die Ansbacher Oberstaatsanwältin Gudrun Lehnberger sagte.

Das Motiv für den Amoklauf, bei dem der Täter zehn Menschen verletzt hatte, ist aber weiter unklar. Sein Testament hatte der 18-Jährige mit dem Datum 9/11 versehen, dem Jahrestag der verheerenden Terroranschläge in den USA vom 11. September 2001. Konkrete Hinweise auf den geplanten Amoklauf entdeckten die Ermittler darin laut Lehnberger allerdings nicht.

Dagegen wertete die Oberstaatsanwältin die Aufschrift "Apocalypse Today" auf em Kalenderblatt vom 17. September als Hinweis darauf, "dass er die Tat geplant hatte". Der Computer des Täters werde noch ausgewertet.

Die Staatsanwalt teilte weiter mit, dass der 18-Jährige wesentlich stärker bewaffnet war als bisher bekannt. Er sei nicht mit drei, sondern mit fünf Molotowcocktails, drei feststehenden und einem Butterfly-Messer sowie einem Beil mit einer Stiellänge von etwa 40 Zentimetern bewaffnet gewesen.

Nach dem bisherigen Spurenbild habe er in jedes der betroffenen Klassenzimmer nicht nur einen, sondern zwei Molotowcocktails geworfen. Die Spurensicherung im Schulgebäude werde aber noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Es werde voraussichtlich erst kommende Woche wieder freigegeben.

Die Zahl der Opfer von Georg R. erhöhte sich indes auf zehn. Wie Oberstaatsanwältin Gudrun Lehnberger in Ansbach erläuterte, war am Donnerstag ein weiterer Schüler leicht verletzt worden. Insgesamt verletzte der Täter damit neun Schüler und einen Lehrer seiner eigenen Schule.

Die Polizei hat inzwischen den Tatablauf rekonstruiert. Demnach warf der Abiturient zunächst Molotowcocktails in die Klasse 10b. Als Tische und Kleider der Schüler Feuer fingen, rannten diese hinaus auf den Flur.

Vor der Tür wartete der mit einer Axt bewaffnete 18-Jährige. "Dort schlug der Täter wahllos auf die Schüler und den Lehrer ein", berichtete Lehnberger. Ein Mädchen traf er mit der Axt lebensgefährlich am Kopf. Inzwischen schwebt die 15-Jährige nicht mehr in Lebensgefahr. Eine weitere Schülerin zog sich schwerste Brandwunden zu.

Insgesamt erlitten fünf Menschen Brand-, Schnitt- und Schürfwunden, drei einen Schock. Die Schwester des Täters, die ebenfalls das Gymnasium Carolinum besuchte, ging laut Lehnberger nicht in die beiden attackierten Klassen.

Zwei weitere Brandsätze warf Georg R. in den Raum der Klasse 9c. Anschließend verschanzte sich der Amokläufer auf der Toilette, wo ihn zwei Polizisten aufspürten.

Er sei mit einem Messer auf einen Beamten losgegangen, schilderte die Oberstaatsanwältin. Dieser habe daraufhin fünf Schüsse auf den Schüler abgegeben. Der Jugendliche wurde in ein Krankenhaus gebracht.

In der Nacht verschlechterte sich sein Zustand etwas, er wurde ein weiteres Mal operiert. "Er wird heute keinesfalls mehr vernehmungsfähig sein", betonte Krach. Erst im Laufe des Tages werde er aus der Narkose aufwachen.

Die Ermittler konzentrierten sich am Freitag vor allem auf das Motiv des Täters. "Wir wissen noch nicht viel", sagte Krach. "Die Polizei wird sämtliche Beteiligten vernehmen."

Die Ermittler vernähmen jetzt alle Schüler und Lehrer, die unmittelbar betroffen oder Zeugen gewesen seien, sagte die Staatsanwältin. Es handle sich um rund 30 Personen. "Sein nächster Freund ist bereits vernommen worden", berichtete Krach.

Die Schule werde erst nächste Woche wieder geöffnet. Die Spurensicherung sei noch nicht abgeschlossen, sagte Lehnberger. Hinweise erhoffen sich die Ermittler auch von der Auswertung der Computer-Festplatte des jungen Mannes.

Einen Tag nach dem Amoklauf von Ansbach hat etwa ein Fünftel der Schüler des Carolinum-Gymnasiums die von Seelsorgern und Schulpsychologen angebotene Hilfe angenommen.

Allerdings reagierten die Jugendlichen in den Beratungsgesprächen ganz unterschiedlich auf die Tat ihres 18 Jahre alten Mitschülers vom Vortag, berichtete der Leiter der Kirchlichen Notfallseelsorge im Schulbereich, Thomas Barkowski. "Einige sind noch immer tief betroffen, andere wirken gefasst, aber ernst", sagte der Geistliche.

Nach Angaben von Schulseelsorger Barkowski haben manche Schüler noch immer Probleme, das schreckliche Geschehen zu realisieren. "Sie fangen erst jetzt an zu verstehen, was passiert ist", berichtete Barkowski. 13 Seelsorger und zehn Schulpsychologen bieten seit dem Morgen Schülern in der Turnhalle des Gymnasiums Einzel- und Gruppengespräche an.

Ihnen soll dabei geholfen werden, den Amoklauf vom Vortag zu verarbeiten. Unterdessen haben Schüler vor dem Gymnasium Kerzen angezündet und weiße und rote Rosen niedergelegt, um der Opfer zu gedenken.

© dpa/ddp-bay/AP/bavo - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: