US-Kampfhubschrauber in Franken:Belagerung in Freundesland

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Sie knattern unerträglich laut und ihre Suchscheinwerfer leuchten die Stuben aus: Amerikanische Kampfhubschrauber rauben den Bürgern im mittelfränkischen Obereichenbach den Schlaf. Ihre Beschwerden perlen an der US-Armee ab.

Frederik Obermaier

Dieter Hiemer ist eigentlich ein friedliebender Mensch. In seiner Freizeit zählt der Krankenpfleger Mönchsgrasmücken-Nester und kartographiert Biberbauten. Erst kürzlich hat ihn Umweltminister Markus Söder (CSU) dafür als "Grünen Engel" ausgezeichnet. Wenn der 45-Jährige jedoch auf die Hubschrauber der US-Armee zu sprechen kommt, platzt es aus ihm heraus: Der Lärm sei "die Hölle", einfach unerträglich, "da wackeln die Teller im Schrank", das Wohnen werde zur Qual, ruhiger Schlaf zum seltenen Luxus.

Dutzende Kampfhubschrauber - wie hier vom Typ Black Hawk - knattern täglich über die Hausdächer rund um die US-Kaserne Katterbach. Die Anwohner protestieren, doch das Recht ist auf Seite der US Army. (Foto: AP)

Hiemer - schwarzer Vollbart, goldener Ohrring, Trekking-Sandalen - lebt schon seit 20 Jahren in Obereichenbach, einem Ortsteil oberhalb von Ansbach. Mit seiner Frau zog er in das Haus seiner Schwiegereltern. Es ist ein schöner Flecken Erde. Wären da nicht die Hubschrauber: Im Minutentakt knattern sie über Hiemers Haus, kurz vor Ansbach drehen sie um und fliegen noch mal über Obereichenbach - zurück in die nahe US-Basis Katterbach. "Das ist die Platzrunde", erklärt Hiemer und erzählt von Studien über erhöhte Krebsraten durch Lärm. "Etz langt's" heißt die Bürgerinitiative, die Hiemer vor vier Jahren mitgegründet hat. "Hubschrauber zu Windrädern" fordern sie auf ihren Flyern. Etwa 200 Mitglieder hat die Bürgerinitiative. Tendenz steigend, denn der Widerstand gegen den US-Stützpunkt in Katterbach wächst.

Die Kaserne, etwa einen Kilometer von Obereichenbach entfernt, war einst Standort des NS-Kampffliegergeschwaders 53 - das in Hitlers Auftrag als Teil der sogenannten Legion Condor in den Spanischen Bürgerkrieg eingriff. Jetzt beherbergt die Kaserne hinter Nato-Draht und Maschendrahtzaun die 12. Combat Aviation Brigade der US Army: 3100 Soldaten sowie mehr als 100 Hubschrauber vom Typ Black Hawk und Chinook - es sind die Helikopter-Typen, die auch bei der Tötung Osama bin Ladens im Einsatz waren.

Das mittelfränkische Ansbach ist schon seit dem 17. Jahrhundert Garnisonsstadt. Die Zivilisten haben gelernt, mit den Militärs auszukommen - auch mit den Heeresfliegern der US Army, die seit den siebziger Jahren in Ansbach stationiert sind. Schon bald nach ihrer Ankunft schloss der damalige Bürgermeister mit dem Kommandanten ein sogenanntes Gentlemen's Agreement: Die Kampfhubschrauber sollten möglichst nicht über bewohntes Gebiet und nicht nachts fliegen.

Doch die Ruhe währte nur kurz. Mittlerweile ignorieren die Amerikaner das Übereinkommen schlichtweg. Bis zu 130 Hubschrauber wummern Tag für Tag, Nacht für Nacht über Dieter Hiemers Garten. "Ich komme aus der Arbeit heim, und es geht los", sagt er und holt einen Stapel Papier aus dem Haus. In langen Zahlenreihen, auf Umweltpapier notiert, hat er tageweise die Beschwerden aufgelistet - 22.23 Uhr: "An- oder Überflug", 22.25: ebenso, 22.26: auch, zwei Minuten später wieder. Der tiefste Überflug, das hat Hiemer gemessen, war mehr als 90 Dezibel laut, also lauter als ein Presslufthammer. Erst nach Mitternacht war endlich Ruhe. "Und dann kann ich auch schlafen",sagt er. Aus dem Bett muss er aber bereits kurz nach fünf Uhr. Frühschicht. "Da können Sie sich vorstellen, wie mich das zermürbt", sagt er.

Briefe blieben unbeantwortet, Proteste ungehört

Hiemer und seine Nachbarn stört der Lärm, doch dagegen können sie wenig tun. Das Gentlemen's Agreement ist nur eine Absichtserklärung. Wenn sich die Amerikaner nicht daran halten, who cares? Auch der einstimmige Beschluss des Ansbacher Stadtrats, wonach sämtliche Flüge von 22 Uhr an zu untersagen seien, hilft den Anwohnern nicht. Denn Bundesrecht bricht Landesrecht und erst recht den Beschluss einer fränkischen 40.000-Einwohner-Stadt. Das Verteidigungsministerium erlaubt den Amerikanern, bis Mitternacht zu fliegen. Im Mai und August sind Trainingsflüge bis 1.30 Uhr gestattet, in den Sommermonaten Juni und Juli sogar bis zwei Uhr nachts.

Die Stadt kann nur auf das Entgegenkommen der Amerikaner hoffen. "Und da passiert einfach nichts", sagt Oberbürgermeisterin Carda Seidel (parteilos). Die vergangene Sitzung der Lärmschutzkommission - ein Gremium aus Vertretern der US-Armee und den Bürgermeistern der umliegenden Städte und Gemeinden - endete Anfang Mai ohne konkrete Zusagen. Briefe blieben unbeantwortet, Proteste ungehört. Auf eine Anfrage der SZ antwortete der Garnisons-Kommandeur ebenfalls nicht.

Bürgermeisterin Seidel ist genervt, sie versteht die Klagen der Anwohner. Dennoch ist das Thema für sie eine Gratwanderung. Denn die Bürger von Ansbach sind in zwei Lager gespalten: Auf der einen Seite die, die an den Amerikanern verdienen, weil sie ihnen Häuser vermieten oder "Bavarian Motor Cars" verkaufen.

Ein Abzug der GIs würde ihnen das Geschäft ruinieren. Auf der anderen Seite die Bewohner der Einflugschneisen, die sich über den Lärm ärgern und einmal pro Monat mit "Lärm macht krank"-Plakaten vor der Kaserne protestieren. "Für ein gedeihliches Miteinander ist es wichtig, dass die Amerikaner Rücksicht nehmen", sagt Seidel diplomatisch, um dann doch hinterherzuschicken: "Das tun sie momentan aber nicht."

Lediglich 2010 kehrte kurz Ruhe ein. Die Einheit war im Kriegseinsatz, in Afghanistan und im Irak. Fast kein Hubschrauber flog mehr, zur Freude von Hiemer und seinen Obereichenbacher Nachbarn. "Wir sind abends auf der Straße gesessen, jeden Tag bei jemand anderem", erzählt er und wirkt für einen Moment jung und unbeschwert. "Wir haben gegrillt, gefeiert und gelacht." Im Dezember 2010 kamen die Helikopter jedoch zurück - und damit auch der Lärm. Er ist derzeit schlimmer denn je, erzählen Anwohner. Rund 500 Beschwerden sind heuer bereits bei der Stadt eingegangen, so viele wie nie zuvor.

Der Ton zwischen den Ansbachern und den Amerikanern ist rauer geworden. Denn zum Lärm kommen die Neubau-Pläne der Army hinzu: Ein Klein-Amerika mitten in Mittelfranken entsteht derzeit nahe der B 14. Für den Bau der riesigen Wohnsiedlung samt Hotel und Einkaufszentrum planierte die US-Armee ein Vogel-und-Frosch-Biotop.

Ohne Genehmigung wurden Stacheldrahtzäune errichtet, von Schwarzbauten war die Rede. Anwohner klagen über die amerikanischen "Besatzer" mit den "Rambo-Manieren". "Army go home!" heißt es in Leserbriefen an die Lokalzeitung. Immer häufiger hängen Bilder von durchgestrichenen Kampfhubschrauber in den Vororten von Ansbach - es sind die Fahnen der Bürgerinitiative "Etz langt's".

Aus Partnern werden in Ansbach allmählich Gegner. Die Zeit der Diplomatie geht zu Ende, sogar von "Krieg" ist die Rede. Der beginne schließlich dort, erklärte Ansbachs Vize-Bürgermeister Hannes Hüttinger beim diesjährigen Ostermarsch, "wo Bürger durch den Hubschrauberlärm terrorisiert werden".

Und von Terror spricht auch Hiemer. Er kann nicht mehr schlafen, ständig glaubt er, einen neuen Hubschrauber zu hören. Ständig rechnet er damit, dass die Scheiben vibrieren oder Suchscheinwerfer die Stube ausleuchten. "Ich kann bald nicht mehr", sagt er. Seine Augen sitzen schon jetzt tief in den Höhlen, seine Hände haben ihre Ruhe verloren.

Beim Verabschieden will er sich auch keinen schönen Abend wünschen lassen. "Schnelle Schwerhörigkeit, das ist, was ich brauche", sagt er und lacht. Das Lachen aber ist nur noch zu sehen. Zu hören ist es nicht mehr: Es wird erstickt vom Lärm eines Kampfhubschraubers, der über Hiemers Haus in Obereichenbach knattert.

© SZ vom 31.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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