Allgäu:Wie eine Unternehmerin weltweit für sauberes Trinkwasser sorgen will

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Wiegt knapp drei Kilogramm und sorgt für sauberes Trinkwasser: Ujeta - eine Pumpe mit Filter, hergestellt von einer Unterallgäuer Firma. (Foto: privat)
  • Drita Schneider hat eine mobile Wasseraufbereitungsanlage entwickelt.
  • Damit kann man unkompliziert verschmutztes Wasser in Trinkwasser umwandeln.
  • Doch Bedürftige in Ländern, in denen es kein sauberes Wasser gibt, können sich das System nicht leisten.

Von Maximilian Gerl, Markt Kirchheim

Das Ding sieht aus wie ein Eimer und sorgt bisweilen für Emotionen. So neulich in Johannesburg, Südafrika. Drita Schneider berichtet, wie eine Frau zu ihr an den Messestand kam: Zeig mir, wie das Ding funktioniert, ich brauch das für mein Dorf. Die Frau begann zu erzählen. Dass es im Dorf kein sauberes Wasser gebe, wie die Menschen krank und die Kinder sterben würden. Schneider war danach selbst ganz aufgewühlt, "ich musste tatsächlich weinen", sagt sie. "Wenn man sieht, wie die Menschen leiden, ist das schlimm."

Schneider, 46, ist Chefin eines kleinen Betriebs im Unterallgäu. Sie hat eine Idee und zwei Probleme. Herausforderung Nummer Eins ist gewaltig. Mehr als zwei Milliarden Menschen weltweit haben nach Schätzungen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Vor allem in Entwicklungsländern und Katastrophengebieten ein Gesundheitsrisiko. Schneiders Lösung: eine selbstentwickelte Wasseraufbereitungsanlage, mobil, leicht und schnell in Betrieb zu nehmen. Genau daraus folgt allerdings Herausforderung Nummer Zwei. Gutes zu tun und damit Geld zu verdienen, ist oft schwer zu kombinieren.

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In den vergangenen Monaten hat Schneider viel Zeit auf Messen im Ausland verbracht. Auch die Reise nach Südafrika verdankt sie letztlich einem Zufall. Ihre Firma, Schneider Kunststofftechnik in Kirchheim, ist eigentlich ein klassischer Kunststoffverarbeiter. 25 Mitarbeiter, 17 Maschinen. Sie fertigen vor allem Teile für den Automobilbau, daneben Plastikdosen, Becher, Schutzkappen. Erst als ein Kunde nach einem austauschbaren Aufsatz für Wasser- und Gartenschläuche fragte, dachte Schneider: Daraus könnte man doch mehr machen. Die Trinkwasserproblematik, sagt sie, "wird uns alle noch mal mehr beschäftigen als Kriege".

Das Ergebnis ist knapp drei Kilogramm schwer und heißt Ujeta, eine Schöpfung aus den albanischen Worten für Wasser ("Uje") und Leben ("Jeta"). Der Aufbau dauert nur ein paar Minuten. In einem Eimer wird Wasser gesammelt und per Handpumpe durch eine Kartusche mit Aktivkohlefilter gedrückt. Etwa 5000 Liter können durchlaufen, je nach Schwere der Verschmutzung, dann muss der Filter gewechselt werden. Nach Firmenangaben soll das System mehr als 99,9 Prozent aller Schadstoffe aussieben, ob Bakterien, Pilze oder Medikamentenrückstände. Privatpersonen sind im Onlineshop ab 429 Euro dabei, für Hilfsorganisationen gibt es Spezialangebote.

Was passiert, wenn Menschen verschmutztes Wasser trinken müssen, lässt sich im Jemen beobachten. Dort grassiert eine Choleraepidemie, die Weltgesundheitsorganisation ging zuletzt von rund 1,1 Millionen Verdachtsfällen und 2300 Toten aus. Der Fall zeigt: Wasseraufbereitungsanlagen sind weltweit gefragt - allerdings vor allem in Regionen, in denen Menschen sich diese selten leisten, geschweige denn einfach im Internet bestellen können.

Von der Idee kann das Unternehmen nicht leben

Schneiders Team versucht deshalb, mit Hilfsorganisationen zusammenzuarbeiten und die Anlagen über Spenden zu finanzieren. Eine mühselige Arbeit, neben den Kosten müssen Fragen zu Logistik und Sicherheit geklärt werden. Auf Haiti etwa sind zehn Ujeta in Betrieb. Kooperationspartner dort ist die Kindernothilfe Österreich. Schneider sagt, andere in Haiti tätige Organisationen fanden die Idee zwar gut, konnten sie aber nicht umsetzen. Immer wieder waren Hilfstransporte überfallen worden.

Für ihre Idee wurden die Allgäuer jüngst ausgezeichnet, unter anderem mit einem Innovationspreis der Industriestiftung Rat für Formgebung. Von der Idee leben können sie noch nicht. Ohne das Hauptgeschäft, die Kunststofffertigung, würde der Spagat zwischen Geld verdienen und Gutes tun nicht funktionieren. Künftig setzt Schneider auf eine zweite Zielgruppe, Touristen und Camper: Eine kleinere Reiseversion von Ujeta lässt sich direkt über Wasserhähne stülpen.

50 Geräte hat Schneider bislang verkauft, "nicht viel", sagt sie, "ein Anfang." Vielleicht werde ja langfristig ein zweites Standbein für die Firma daraus, das würde mehr Unabhängigkeit schaffen. Was sie anderen Unternehmern rate, die sich am Spagat zwischen Geld und Gutem versuchen wollten? "Durchhalten", sagt Schneider. "Und dran glauben, dass es funktioniert."

© SZ vom 02.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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