Zivile Panzerfahrzeuge:Wenn die Angst mitfährt - oder die Geltungssucht

Gewehrkugeln, Handgranaten und sogar Sprengfallen: Diese Autos halten auch schweren Beschuss aus. Zivile Fahrzeuge mit Panzerung - von elegant und diskret bis völlig absurd.

Von Thomas Harloff

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(Foto: Howe & Howe Technologies)

Ob Despot oder hochrangiger Politiker mit demokratischen Werten, ob erfolgreicher Geschäftsmann mit großer Feindesschar oder Superstar mit Geltungssucht: Die zahlungskräftige Klientel für Hochsicherheitsfahrzeuge wird immer größer. Immer mehr Firmen spezialisieren sich deshalb darauf, passende zivile Fahrzeuge anzubieten, die Gewehrschüsse, Handgranaten und sogar Sprengfallen standhalten. Inzwischen gibt es eine Handvoll Firmen, die eine Reihe skurriler, gleichwohl technisch sehr ausgefeilter ziviler Panzerfahrzeuge anbieten. Und auch die deutschen Premiumhersteller mischen in diesem Markt mit.

Ripsaw EV2

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(Foto: Howe & Howe Technologies)

Jüngster Neuzugang und zugleich extremstes Exemplar unter den Panzern für den Hausgebrauch ist der Ripsaw EV2. Dessen Kettenantrieb verhindert zwar eine Straßenzulassung, macht das Gefährt aber enorm geländegängig, wie dieses YouTube-Video erahnen lässt. Seinem Hersteller Howe & Howe Technologies zufolge soll der Zweisitzer das schnellste Kettenfahrzeug der Welt sein. Konkrete Zahlen nennen die Amerikaner zwar nicht, aber aufgrund seiner Motorisierung, ein 6,6-Liter-Diesel mit mehr als 600 PS und einem maximalen Drehmoment von 1200 Newtonmetern, erscheint der Superlativ zumindest glaubhaft. Auch beim Preis bleibt Howe & Howe vage, spricht von mehreren Hunderttausend Dollar, die aufgrund einer sechsmonatigen Fertigungszeit und einer strengen Limitierung gerechtfertigt sein sollen.

Marauder

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(Foto: Gulustan / CC BY-SA 3.0)

Eines der bekanntesten Panzerfahrzeuge ist der Marauder aus Südafrika. Abgeleitet von einem militärischen Transportpanzer (Foto), gibt es seit 2011 auch eine optisch fast unveränderte zivile Version, die in der BBC-Kultsendung Top Gear einen bemerkenswerten Auftritt hatte. Moderator Richard Hammond unterzog den Marauder einem Alltagstest, fuhr mit dem Zehntonner durch den Stadtverkehr Johannesburgs, den Drive-In-Schalter eines Fast-Food-Restaurants und zum Einkaufen in den Supermarkt. Während dieser Tour waren weder schroffes Gelände noch Steinmauern oder im Weg stehende Mittelklassewagen ein unüberwindbares Hindernis für den Offroader. Er fuhr entweder einfach drüber oder mitten hindurch. Nicht einmal sieben Pfund Plastiksprengstoff konnten dem Marauder etwas anhaben - bis auf einen kaputten Reifen gab es keinerlei Schäden. Dass ein solches Sicherheitsniveau mit einer besonders starken Panzerung einhergeht, versteht sich von selbst. Das erfordert allerdings Zugeständnisse. So lassen sich die Fenster nicht öffnen. Kontakt zur Außenwelt hält man mit einer kleinen Durchreiche oder über eine Gegensprechanlage. Obwohl der Marauder so teuer ist wie ein Rolls-Royce, dürfen die bis zu zehn Insassen keinerlei Luxus erwarten. Es geht auch nicht besonders schnell voran. Der knapp 300 PS starke V6-Turbodiesel beschleunigt den Allradler maximal auf etwa 110 km/h.

Dartz Prombron

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(Foto: Dartzmotorz / CC BY-SA 4.0)

Deutlich stärker und schneller ist dieses possierliche Wägelchen, das aus Lettland den Weg in die Garagen der Reichen und Gefährdeten findet. Der Prombron von Dartz Motors verfügt über einen 560 PS starken Sechsliter-Motor, der das kantige Ungetüm laut Hersteller in 5,2 Sekunden von Null auf Hundert und auf maximal 312 km/h beschleunigt. Zudem soll er mit einem Durchschnittsverbrauch von 17 Litern vergleichsweise sparsam sein. Werte, die sehr optimistisch anmuten, wenngleich der 5,29 Meter lange Prombron mit einem Leergewicht von gut 2,5 Tonnen nicht besonders schwer ist. "Kugelsichere Opulenz, der Milliardäre, Zaren, Superstars, Generäle und Diktatoren seit 1869 vertrauen": Dem offiziellen Werbeslogan von Dartz Motorz wird der Prombron erst gegen Aufpreis gerecht, denn seine Panzerung erhält er erst auf ausdrücklichen Kundenwunsch. Mehrere Zentimeter dicke Stahlplatten, Kevlarmatten und schusssichere Reifen sollen die Insassen bei gewaltsamen Übergriffen schützen, dürften aber das Gewicht und damit den Verbrauch erhöhen und die Fahrleistungen verschlechtern. Um sich von Konkurrenzprodukten abzuheben, setzt Dartz Motorz zudem verstärkt auf Individualisierung. Eines der zahlreichen Sondermodelle ist eine um 30 Zentimeter verkürzte Version mit drei Türen, die Dartz als das "weltweit erste Sicherheitsauto für Damen" bezeichnet. Ein anderes Editionsmodell ist der mit Weißgold, Diamanten und Rubinen verzierte Prombron Red Diamond zum Preis von 1,5 Millionen Dollar.

Kombat T98

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(Foto: The Car Spy / CC BY 2.0)

Eventuelle Ähnlichkeiten zu diesem kantigen Geländewagen sind kein Zufall, denn der Kombat T98 ist das Vorgängermodell des Prombron. Von 2005 an wurde der Kombat in St. Petersburg und Estlands Hauptstadt Tallinn von der Combat Armoring Group gebaut. Die weitreichenden Individualisierungsmöglichkeiten seines Nachfolgers bot der Kombat allerdings noch nicht. Die Kunden konnten sich zwischen einer luxuriösen "VIP"-Ausstattung und der eher militärisch geprägten "Utility"-Variante, die nicht nur über eine verstärkte Federung, sondern auch über Schießscharten und eine Aufnahmemöglichkeit für ein Maschinengewehr auf dem Dach verfügte, entscheiden. Die Technik kam ähnlich grobschlächtig wie nun beim Prombron daher. Das Fahrgestell eines General-Motors-Pick-Ups kombinierten die Esten mit einem 8,1-Liter-V8-Benziner oder einem 6,6-Liter-V8-Turbodiesel. Verschiedene Schutzstufen waren möglich, von der eher leichten B2-Kategorie bis zum zweithöchsten Nato-Stanag-Level. Trotz mindestens fünf Tonnen Leergewicht soll der Wagen eine Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h geschafft haben - getreu dem Motto: "Wer schnell ist, ist auch sicher."

Conquest Vehicles Knight XV

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(Foto: Conquest Vehicles)

Das nordamerikanische Gegenstück zu Prombron und Kombat ist der Knight XV von Conquest Vehicles. Basierend auf dem Fahrgestell des größten und schwersten Pick-Ups, das die Ford-Palette zu bieten hat, entsteht in Kanada eines der extremsten zivilen Panzerfahrzeuge überhaupt. Der Knight XV wiegt mindestens sechs Tonnen und braucht entsprechend monströse Motoren, einen 6,8-Liter-V10-Benziner oder einen 6,7-Liter-V8-Turbodiesel aus dem Ford-Regal, um adäquat voranzukommen. Einen Durchschnittsverbrauch nennen die Kanadier nicht, aber der 238 Liter große Standardtank gibt einen Hinweis, dass in Toronto nicht gerade das sparsamste SUV gebaut wird. Für Sicherheit sorgen beim Knight XV nicht nur Unmengen an Stahl oder schusssicheres Glas. Ein Nachtsichtsystem und kugelsichere Reifen gehören zur Serienausstattung. Ein unter dem Auto angebrachter Magnetdetektor, eine unabhängige Sauerstoffversorgung für den Innenraum oder eine Nebelmaschine für die Umgebung des Autos können als Option bestellt werden. Der Innenraum ähnelt auf Wunsch mit Leder, Edelholz, Flachbildschirmen oder einer abtrennbaren Fahrerkabine dem einer Stretch-Limousine. Die ist aber deutlich günstiger als der Knight XV, der mindestens 629 000 US-Dollar kostet. Das entspricht beim derzeitigen Wechselkurs etwa 560 000 Euro. Conquest Vehicles bietet übrigens auch einen Ritter ohne Rüstung an. Der Evade sieht dem Knight XV zum Verwechseln ähnlich, verwendet das gleiche Chassis, ist innen genauso luxuriös, verzichtet aber komplett auf die Panzerung. Dafür ist er auch günstiger: Er kostet lediglich 579 000 US-Dollar (515 000 Euro).

Alpha Armouring Phoenix

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(Foto: WGO)

Nicht nur in Nordamerika und Osteuropa gibt es Firmen, die den lukrativen Markt gepanzerter Zivilfahrzeuge bedienen. Einer der erfolgreichsten Hersteller solcher Vehikel sitzt im oberbayerischen Garching und heißt Alpha Armouring. Etwa 80 Autos entstehen nördlich von München pro Jahr. Nicht jedes davon ist gepanzert, aber wenn gewünscht, verwandelt die Firma die Mercedes G-Klasse in einen rundum vor Maschinengewehren, Granaten oder Sprengfallen geschützten, auf schusssicheren Reifen rollenden, 4,2 Tonnen schweren Stahlkoloss. Im Fall des Phoenix (Foto) greift Alpha Armouring auf den 544 PS und 760 Newtonmeter starken 5,5-Liter-Biturbo-V8 von AMG zurück und verlängert den Radstand der G-Klasse. Wer die erste Reihe vom edel ausstaffierten Fahrgastraum trennen möchte, fährt auf Knopfdruck eine Scheibe und einen Monitor hoch und kommuniziert dann über die Gegensprechanlage mit dem Fahrer. Ein Erfolgsgeheimnis von Alpha Armouring dürfte die sprichwörtliche deutsche Gründlichkeit sein. Den Phoenix haben die Garchinger mit höherem Bremsdruck, stärkeren Wankstabilisatoren und einem final auf der Nürburgring-Nordschleife abgestimmten Fahrwerk ausgerüstet. Das soll das um etwa 1,7 Tonnen höhere Gewicht im Vergleich zur serienmäßigen G-Klasse fahrdynamisch ausgleichen. Und das treibt den Preis nach oben. Der Nettopreis des Phoenix liegt bei 800 000 Euro.

Mercedes S 600 Guard

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(Foto: Daimler AG - Global Communicatio; Daimler AG)

Mercedes bietet seinen Geländewagenklassiker auch ab Werk mit Panzerung an - genau wie die E-, M- und S-Klasse. Jüngster Vertreter aus der "Guard"-Reihe ist aber der S 600 auf Basis der aktuellen S-Klasse (Foto). Äußerlich kaum von anderen Vertretern der Baureihe zu unterscheiden, bietet er mit VR9 eine der höchsten Widerstandklassen, die bei einem nicht-militärischen Fahrzeug überhaupt machbar sind. Um diese Zertifizierung zu erhalten, müssen sowohl Karosserie als auch Fenster ein aus zehn Metern aus einem Sturmgewehr abgefeuertes 7,62 x 51 Millimeter großes Geschoss mit Stahlkern davon abhalten, nach innen zu dringen. Die umfangreiche Panzerung steigert das Gewicht der S-Klasse auf mehr als vier Tonnen. Damit die Limousine dennoch in unter fünf Sekunden von Null auf Hundert und auf maximal 210 km/h beschleunigt, kommt einer der größten und stärksten Motoren des Konzernregals zum Einsatz - ein V12-Benziner mit 530 PS und einem maximalen Drehmoment von 830 Newtonmetern. Ein verstärktes Fahrwerk und größer dimensionierte Bremsen tragen dem erhöhten Gewicht ebenfalls Rechnung. Die Notlaufreifen sind nicht komplett schusssicher, sollen aber noch 30 Kilometer durchhalten, nachdem sie Schaden genommen haben. Im Innenraum gibt es alle Annehmlichkeiten, die man sich in einem Auto nur vorstellen kann - zu einem Preis, den Mercedes nur bei einer konkreten Kaufanfrage verraten möchte.

BMW 7er High Security

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(Foto: eb.andriuolo; BMW Group)

Konkurrent BMW verdient ebenfalls gut mit dem Geschäft gepanzerter Limousinen. Schon seit mehr als 35 Jahren konstruieren und produzieren die Münchner Sicherheitsfahrzeuge. Bis eine gepanzerte Version der neuen 7er-Reihe entwickelt ist, muss noch das intern F01 genannte Vorgängermodell in ihrer High-Security-Variante den automobilen Bodyguard spielen. Die erfüllt im nicht transparenten Bereich ihrer Karosserie die Widerstandsklasse neun. Die Fenster sind jedoch nur nach VR7 zertifiziert. Dafür gibt es zahlreiche Sonderausstattungen, die selbst dem stärksten Sicherheitsbedürfnis gerecht werden: eine Wechselsprechanlage, um auch bei geschlossenen Türen und Fenstern mit der Außenwelt zu kommunizieren, eine Überfallalarm- und eine Feuerlöschanlage, Reizgassensoren sowie ein Frischluftsystem. Ganz auf Nummer sicher geht, wer den Waffenkasten für die Mittelkonsole ordert, in dem zwei Maschinenpistolen untergebracht werden können. Natürlich passt BMW Fahrwerk und Bremsen seines gepanzerten 7ers, der parallel zu den normalen Autos der Baureihe im Werk Dingolfing entsteht, an das höhere Gewicht an. Und wie bei der Konkurrenz kommen nur die stärksten hauseigenen Motoren zum Einsatz: ein 4,4-Liter-Biturbo-V8 mit 407 PS oder ein V12-Benziner mit sechs Litern Hubraum und 544 PS.

Audi A8 L Security

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(Foto: Audi AG)

Auch Audi bietet sein Oberklassemodell in einer Sonderschutzvariante an. In 450 Arbeitsstunden wird eine normale A8-Karosserie der Langversion in die gepanzerte Security-Version verwandelt, die nach der Widerstandsklasse VR7 zertifiziert ist. Der Fahrzeugboden ist mit einer Aluminiumlegierung gepanzert, um Sprengfallen den Schrecken zu nehmen. Die optionalen Sicherheitssysteme entsprechen weitgehend denen der Konkurrenz. Nur das Notausstiegssystem, mit dem sich eine verkeilte Tür auf Knopfdruck mit Pyrotechnik doch noch öffnen lässt, hat der A8 L Security exklusiv. Acht- oder Zwölfzylindermotor, angepasstes Fahrwerk, verstärkte Bremsen: Was in der Hochsicherheitsklasse zum guten Ton gehört, bietet auch der gepanzerte Audi. Natürlich gehört auch Diskretion zum Business. Der Hersteller berät Interessenten im sehr privaten Rahmen und verzichtet auch darauf, öffentlich den Verkaufspreis zu kommunizieren.

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