Verkehrspsychologe:Renitente Raser

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Warum hohe Bußgelder wenig bringen und es vielen Autofahrern so schwerfällt, sich an Tempolimits zu halten, erklärt Verkehrspsychologe Karl-Friedrich Voss.

Interview von Felix Reek

Karl-Friedrich Voss ist Vorstand des Bundes Niedergelassener Verkehrspsychologen (BNV) und hilft in seiner Praxis Klienten, ihre Punkte wieder abzubauen. Er erklärt, warum höhere Bußgelder aus seiner Sicht wenig bringen und wie Stress zu Fehlverhalten im Straßenverkehr führen.

SZ: Es gibt jede Menge Verkehrsregeln, trotzdem halten wir uns nicht daran. Woran liegt das?

Karl-Friedrich Voss: Na ja, ganz so schlimm ist es nicht. Es gibt schon eine ganze Menge von Verkehrsregeln, die die meisten Autofahrer befolgen. Vor allem, wenn es um Straftaten geht.

Sich ans vorgeschriebene Tempo zu halten, fällt vielen offenbar besonders schwer. Eine Studie untersuchte zuletzt das Verhalten auf Landstraßen. Ergebnis: Viele Autofahrer wählen Geschwindigkeiten, die knapp unter dem Schwellenwert liegen, bei dem hohe Bußgelder und Punkte in Flensburg drohen.

Ich bin total gegen ein solches Verhalten. Das geht oft genug schief. Es gibt viele Delikte, die fangen bei 21 km/h zu schnell an. Meist folgt der Kommentar: "Aber das ist doch nur ein Kilometer zu schnell!" Die anderen 20 km/h werden in dieser Rechnung nicht wahrgenommen. Da muss man heftig gegensteuern. Ab einem Tempo von 20 km/h über der Begrenzung gibt es vom deutschen Bußgeldsystem keine Bereitschaft mehr für Zugeständnisse. Das vermittle ich auch jedem Klienten.

Wäre es dann nicht sinnvoll, gleich härter durchzugreifen? In Holland zahlen Autofahrer zehn Euro für jeden Kilometer pro Stunde, den sie zu schnell sind.

Es gibt viele, die das fordern. Die Grundeinstellung des deutschen Verkehrsministeriums und der Verkehrspsychologen ist da eine andere. Über das Fahreignungsregister in Flensburg wollen die Behörden erst mal Kontakt mit demjenigen, der Fehler gemacht hat, herstellen und eine Besserung erreichen. Ein solches System gibt es in der Schweiz und in den Niederlanden nicht - deshalb die harten Strafen dort.

Was halten Sie davon, die Bußgelder an das Gehalt zu koppeln?

Das Problem ist der Gleichheitsgrundsatz. Verkehrsrechtler wissen, dass es problematisch ist, die gleiche Tat unterschiedlich zu ahnden. Und immer nur höhere Strafen zu fordern, halte ich für hilflos.

Was wäre besser aus Ihrer Sicht?

Die Zusammenarbeit der für die Straßen zuständigen Behörden würde schon viel bringen. Wenn man etwa Tempokontrollen mit baulichen Maßnahmen verbindet. Verkehrsinseln an Ortseinfahrten, um die man herumfahren muss. Das zwingt zum Abbremsen. Installieren Sie dahinter noch einen Blitzer, halte ich das für den richtigen Weg. Aber wenn eine Straße falsch geplant wird, so dass die Hälfte der Autofahrer zu schnell in einen Ort fährt, kann man nicht einfach einen Blitzer hinstellen, und so die Verkehrsteilnehmer zwingen, ihre Geschwindigkeit anzupassen. Das ist die versuchte Korrektur eines Behördenfehlers, die nichts bringt.

Nun könnten sich die Autofahrer auch einfach an die Tempovorgabe halten.

Das tun die meisten ja. Ich bin Vorsitzender der Verkehrswacht in Hannoversch Münden und unsere Hauptaufgabe ist es, Geschwindigkeitsmessungen durchzuführen. Der weitaus größte Teil hält sich auch an kritischen Stellen an die Limits.

Vielen Fahrern wird ein Vergehen trotzdem erst bewusst, wenn Sie mehrmals erwischt wurden und Strafen drohen.

Das ist ja bei vielen Dingen so, dass man sich erst Gedanken darüber macht, wenn man öfter in Kontakt damit tritt. Ich hatte neulich eine Klientin, die drei Mal über Rot gefahren ist. Ich fragte sie, wie das kommt und sie antwortete, dass sie einen Beruf ausübt, der sehr belastend ist.

Zu viel beruflicher Druck als Ursache für Vergehen im Straßenverkehr?

In einem solchen Zustand steigt man am besten nicht ins Auto. Die Aufmerksamkeit ist dann erheblich beeinträchtigt. Das heißt, es ist nicht immer böser Wille oder Faulheit, die Menschen dazu bringen, sich falsch im Straßenverkehr zu verhalten.

Mehr Stress führt also zu mehr Verkehrsdelikten?

Autofahren ist eine komplexe Angelegenheit, die mit dem Alltagsleben im Zusammenhang steht. Einige stehen stärker unter Druck und das hat Auswirkungen. Andere, die ihr Geld mit Autofahren verdienen, nehmen mehr Aufträge an, als für ihr tägliches Pensum gut ist. Im Gegenzug wollen sie dem Verkehr Zeit abringen. Das klappt natürlich nicht. Wenn wir das Verhalten im Straßenverkehr dauerhaft ändern wollen, müssen wir uns selbst ändern. Das betrifft Alltagsaktivitäten wie den Stress.

© SZ vom 05.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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