Verkehr der Zukunft:Autonomes Fahren bleibt eine Utopie

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In den selbstfahrenden Google-Autos sitzt stets jemand hinter dem Steuer - um einzugreifen, wenn die Technik Fehler macht. (Foto: dpa)

Dank selbstfahrender Autos werden die Unfallzahlen sinken. Trotzdem muss der Fahrer die Kontrolle über das Steuer behalten - weil es noch lange Menschen geben wird, die das System stören.

Kommentar von Ulrich Schäfer

Zu verlockend klingt die Vorstellung: In ein paar Jahren schon, 2025 oder 2030, fahren sämtliche Autos wie von selbst; ein Lenkrad braucht niemand mehr, denn kluge Algorithmen lenken das Fahrzeug sicher an sein Ziel, bremsen stets zur rechten Zeit; Unfälle gehören der Vergangenheit an.

So könnte es kommen, wenn man jenen Technikfreaks glaubt, die Maschinen am Ende für die besseren Menschen halten: ohne jeden Fehler, ohne jede Schwäche, ohne den Sekundenschlaf, der im tödlichen Unfall endet. Auch Barack Obama, der scheidende US-Präsident, schwärmte am Montag von den großen Vorteilen des autonomen Fahrens, während seine Regierung erste Rahmenregeln dafür vorgab.

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Checkliste statt Gesetze. Nach dem Willen der US-Regierung sollen die Hersteller für die Sicherheit ihrer selbstfahrenden Autos garantieren und über den Umgang mit sensiblen Daten informieren.

Von Thomas Fromm und Claus Hulverscheidt

Die technischen Aspekte sind lösbar

Aber so, wie es die Fans des autonomen Fahrens voraussagen, wird es nicht kommen - jedenfalls nicht so schnell; und auch nicht in jener absoluten Form, in der der Mensch als Fahrer völlig verschwindet. Denn am Ende wird sich manche entscheidende Frage niemals lösen lassen.

Dabei geht es weniger darum, welche Technik man entwickeln und in einem Auto einbauen müsste: intelligente Kameras? Superschlaue Sensoren? Radarerkennung? Und dahinter ein Superrechner, der all die Daten auswertet? Alles lösbar. Doch wirklich perfekt wird ein autonomes Auto erst funktionieren, wenn auch alle anderen Verkehrsteilnehmer sich vollautonom fortbewegen; wenn also ihre Fortbewegungsmittel über vollkommen stabile Datenverbindungen miteinander kommunizieren können - und sich gegenseitig die notwendigen Signale geben: und zwar nicht bloß Autos, sondern idealerweise auch Motorräder oder Fahrräder. Tatsächlich jedoch wird es immer Menschen geben, die sich ohne perfekte Technik fortbewegen werden; und sei es als Fußgänger.

Darf der Programmierer Gott spielen?

Schon heute räumen die Ingenieure der Autokonzerne ein, dass die Phase des Übergangs das eigentliche Problem ist: die Zeit, in der er es sowohl autonome Autos gibt als auch solche, die vom Fahrer gesteuert werden. Der sogenannte Mischverkehr, bei dem einige Autos miteinander reden können, andere aber nicht, wird auf Jahrzehnte hin der Normalzustand sein; und vielleicht wird er auch nie verschwinden.

Zudem wird sich die entscheidende ethische Frage nicht befriedigend klären lassen: Darf der Programmierer eines Autokonzerns über Leben und Tod entscheiden? Darf er Gott spielen (oder zumindest Schicksal) und entscheiden, ob zum Beispiel ein Auto, das einem spielenden Kind ausweichen muss, stattdessen den älteren Menschen direkt daneben überfahren soll? Man wird solch eine schwierige Abwägung niemals einem Computer überlassen können (und damit einem Konzern und dessen Programmierern). Am Ende wird in solchen schwierigen Konstellationen immer der einzelne Fahrer entscheiden und die Verantwortung tragen müssen.

Dank der Technik wird es weniger Unfälle geben

Es wird darüber in den nächsten Jahren lange, sehr lange Debatten geben, in den USA und auch bei uns. Verkehrsminister Alexander Dobrindt hat dazu gerade eine Ethikkommission eingesetzt; aber am Ende wird - davon ist auszugehen - die politische Entscheidung stehen, dass der Fahrer immer die finale Kontrolle über sein Auto wird haben müssen.

Dieses Auto wird ihm vieles abnehmen, es wird (fast immer) alleine bremsen, lenken, auch einparken, es wird dies nahezu perfekt machen, aber eben nicht vollkommen perfekt. Solche Assistenzsysteme, wie es sie heute schon in hochpreisigen Autos gibt, nicht bloß bei Tesla, sondern auch bei Audi oder BMW, werden irgendwann in den allermeisten Autos verbaut werden. Es wird dank dieser Assistenzsysteme (und weiterer, die hinzukommen), sehr viel weniger Unfälle geben. Aber eine Welt, in der fast nur vollautonome Autos unterwegs sind, wird auf Jahrzehnte hin eine Utopie bleiben.

© SZ vom 21.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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