Spritfresser:Hochdachautos ohne Ende

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Mit einer SUV-Offensive will der VW-Konzern auf dem Genfer Autosalon neu starten. Doch statt Studien haben viele Wettbewerber schon längst Serienmodelle im Angebot.

Von Georg Kacher

Auf dem Genfer Autosalon wird geklotzt, nicht gekleckert. Zum Beispiel mit dem Bugatti Chiron: 16 Zylinder, 1500 PS, Höchstgeschwindigkeit über 450 km/h zum Preis von rund zwei Millionen Euro. Geistige Vater dieser und so manch anderer Genf-Neuheit ist ein gewisser Ferdinand Piëch. In anderen Segmenten hat der VW-Konzern dagegen Nachholbedarf, selbst wenn er im SUV-süchtigen Markt nun jede Nische zuparkt: Škoda zeigt den fünf- oder siebensitzigen Kodiak, von dem es 2017 auch ein Coupé geben wird. Seat präsentiert auf gleicher Tiguan-Basis den Ateca, Audi enthüllt den auf jüngere Käufer zugeschnittenen Q2, der mit dem nächsten Q3 weitgehend baugleich ist. Wem das zu konventionell ist, der muss auf den Q6 e-tron und den Coupé-artigen Q4 e-tron mit Elektroantrieb warten. Dazu kommen milde Hybride mit 48 Volt und weitere Plug-in Hybride.

Auf dem VW-Stand dreht sich alles um den Polo Breeze, dessen Projektbezeichnung T-Cross an die ähnlich geartete Golf-Studie von 2014 erinnert. Doch genau hier liegt das Problem der Wolfsburger: Während die Konkurrenz längst ihre Claims abgesteckt hat, vertröstet der Marktführer seine Kunden mit immer neuen Studien. Der Breeze sieht zwar nett aus, ist aber als zweitüriges Targa-Cabrio für die Großserie ungeeignet. Schlimmer noch - der dann viertürige Polo SUV rollt erst 2018 zu den Händlern, und auch auf den Golf SUV müssen wir noch ein Jahr warten. Das angedachte Up!-SUV liegt auf Eis, frei nach dem Motto: "Wir können alles - außer billig." Dabei wäre es kein Hexenwerk gewesen, das für China gedachte und auch als SUV fix eingeplante Budget Car von vornherein als Weltauto zu konzipieren. Stattdessen steckt die Marke lieber Geld in Totgeburten wie den Passat CC Shooting Brake.

Genf ist auch ein Tummelplatz für Manager und eine Gerüchteküche: Wie weit ist der Fiat-Chrysler-Chef Sergio Marchionne mit seinen Kooperationsplänen? Bringt der von BMW zu Alfa-Maserati zurückgewechselte Roberto Fedeli endlich die verspätete Giulia auf die Reihe? Traut sich der neue Lamborghini-Statthalter Stefano Domenicali eine vierte Baureihe? Wie stellt Herbert Diess die Marke VW neu auf? Was wird aus Italdesign? Wer steckt hinter dem China-Kracher Techrules, der ein 1000 PS starkes E-Mobil mit Gasturbine und 2000 Kilometer Reichweite angekündigt hat? Macht BMW mit Toyota gemeinsame Sache beim Mini-Nachfolger? Ist McLaren der geeignete Kooperationspartner für den offenbar schwer zu stemmenden BMW-Supersportwagen?

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Geht bei VW die Sonne auf? Der SUV-Studie Polo Breeze folgt erst 2018 ein Serienmodell.

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Unsicher ist auch die Zukunft des Opel GT.

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Serienmodelle sind dagegen der Volvo V90 ...

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... und der Renault Scénic.

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Der Maserati Levante und ...

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... der Renault Alpine.

In Genf herrscht traditionell Aufbruchstimmung, selbst für Segmente, denen man ein Comeback kaum zugetraut hätte. Zum Beispiel Kombis wie der geräumige Renault Megane Grandtour, der bildhübsche Kia Optima und der nicht mehr so kantige Volvo V90. Frühlingsgefühle auch bei erschwinglichen Sportwagen - obwohl die Nachfrage seit Jahren zurückgeht. Am Design des Fiat 124 Abarth Spider mögen sich die Geister scheiden, aber dafür verspricht der von Mazda gebaute Roadster auf MX-5-Basis viel Fahrspaß für relativ wenig Geld. Etwas teurer kommt der Porsche 718, dessen aufgeladener Boxer nur noch bis vier zählen kann - vielleicht sollte man sich noch einen gebrauchten Boxster GTS mit dem charismatischen Sechszylinder-Sauger in die Garage stellen.

Die Alpine will dem Platzhirschen aus Zuffenhausen kontra geben und in die Marke Renault einzahlen, die einen Prestigeschub gut gebrauchen kann. Das Serienauto ist zwar nicht mehr ganz so stimmig wie die erste Studie, aber wo sonst gibt's für rund 45 000 Euro ein 300 PS starkes Mittelmotorleichtgewicht, das in 4,5 Sekunden von 0 auf 100 km/h sprintet? Auf das Coupé soll zeitnah ein Alpine Roadster folgen und später dann der unvermeidliche SUV. Ähnliche Crossover-Pläne verfolgen übrigens Aston-Martin und Lotus. Noch leichter als die Alpine ist der ultrakompakte Opel GT, der nur 1000 Kilo auf die Waage bringt. Sein 1,0-Liter-Dreizylinder leistet 145 PS und treibt wie beim Original aus dem Jahr 1968 die Hinterräder an. Der GT wäre ein perfekter Imageträger, doch leider fehlt eine geeignete Plattform - es sei denn, Opel orientiert sich mit einem angepassten Teilesatz des Cadillac ATS mehr in Richtung Manta und Monza.

Weil sich das SUV-Thema wie ein roter Faden durch den 2016er-Salon zieht, wollen auch Alfa und Maserati nicht zurückstehen. Mit dem Levante zielt die Marke im Zeichen des Dreizacks auf X5, GLE und Cayenne. Der V6-Diesel leistet 275 PS, die Benziner bringen es auf 350 und 430 PS. Einen Hybrid haben bis auf weiteres freilich weder Maserati noch Alfa im Programm. Dafür läuft die Giulia mit ungewöhnlich kräftigen Verbrennern vom Band. Der 2,0- Liter-Vierzylinder schafft in der Top-Version 330 PS, der 2,2-Liter-Diesel mobilisiert zwischen 135 und 210 PS. Klar, dass es auch auf Giulia-Basis einen SUV - besser gesagt zwei - geben wird. Noch ist nicht klar, wie die Staffelung der Markteinführungen im Detail aussieht, denn schon die Entwicklung der neuen Baureihe war ein Drahtseilakt, dem jetzt ein entsprechend holpriger Anlauf folgt.

Toyota ist mit dem RAV4 bei den kompakten Soft-Roadern zwar ordentlich aufgestellt, aber der Nummer eins fehlt noch ein Lifestyle-SUV nach Art des Nissan Juke oder Renault Captur. Diese Lücke schließt in Genf der knuffige C-HR, der dank der neuen Modulplattform auch mit der Hybrid-Technik des Prius bestückt werden kann. Die mit chinesischem Geld wiederbelebte Marke Borgward zeigt nach dem BX7 in Genf den fünfsitzigen BX5. Beide Modelle kommen 2017 nach Deutschland - mit Front- oder Allradantrieb, allerdings nur mit E-Motor oder als Plug-in-Hybrid. In Verbindung mit innovativen Vertriebsmodellen und einer aggressiven Preispolitik will sich Borgward als günstigster Premium-Anbieter etablieren.

Nachhilfe in Sachen Flottenverbrauch haben die Koreaner nötig: Mit dem Kia Niro zum Beispiel, dessen Vierzylinder-Benzinmotor von einem 44 PS starken Stromer unterstützt wird. Kein neues Konzept, aber eine saubere und günstige Alternative zum Diesel. Der gleiche E-Motor schnurrt in der Hybridversion des Hyundai Ioniq. Koreas späte Antwort auf den Prius wird auch als Plug-in-Variante lieferbar sein, die mit 8,9 kWh und 61 PS eine emissionsfreie Reichweite von über 50 km in Aussicht stellt. Doch Hyundai geht noch einen Schritt weiter und bietet den Ioniq sogar als E-Mobil an. Mit 48 kWh und 120 PS Elektro-PS soll das ab 2017 lieferbare Schrägheck mit einer Stromladung über 250 Kilometer weit kommen.

© SZ vom 27.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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