Pedelec-Test:Retro statt Racer

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Oldtimer mit E-Motor: Das White Knight garantiert einen lässigen Auf- und Antritt. Ideal für den modern bewegten Stadtbewohner. (Foto: Ego Movement)

Fahrräder mit E-Motor sind meist praktisch oder hübsch. Das Pedelec "White Knight" von Ego Movement ist beides. Für Raser taugt das schwere Designer-Stück aber nicht.

Von Felix Reek

Leicht ist schwer. Wer mit eingebautem Rückenwind radeln will, trägt schwer daran. Das Pedelec White Knight ist mit 23 Kilogramm ähnlich belastend wie eine Ritterrüstung. Motor und Akkus und die damit verbundene Bequemlichkeit beim Fahren erhöhen das Gesamtgewicht erheblich. Schwerfällig sieht der "Weiße Ritter" trotzdem nicht aus. Der elfenbeinfarbene Rahmen, der hellbraune Ledersattel und die Griffe im gleichen Farbton wirken elegant. Der Akku ist weitgehend im Unterrohr verborgen, sodass er die Gesamtoptik nicht verschandelt. "Die urbane Reinkarnation des verstaubten Oma-Flitzers" nennt der Schweizer Hersteller Ego Movement sein Konzept. So ein Retro-Look ist nicht erst seit dem Erfolg des Mini oder Fiat 500 ein sicheres Erfolgsrezept bei Fortbewegungsmitteln.

Wie die automobilen Vorbilder paart das White Knight die Optik von gestern mit Technik von heute. Es gibt eine Achtgangschaltung von Shimano, Scheibenbremsen von Tektro und die etwas ungewöhnlich aussehende Federung, die an der Spitze der Gabel sitzt. Der Motor beschleunigt das Rad auf bis zu 25 Kilometer pro Stunde, der Akku reicht für eine Strecke von 80 Kilometern und ist in sechs Stunden wieder aufgeladen. Alles keine High-End-Produkte, aber ordentliche Technik aus dem mittleren Preissegment, die das tut, was sie soll. Das ermöglicht einen Einstiegspreis ab knapp 1900 Euro, womit die Schweizer ziemlich genau im Mittelfeld zwischen den kaum zu empfehlenden Einsteigermodellen vom Discounter und den oft sehr teuren Pedelecs der großen Fahrradmarken liegen.

Das Hipster-Rad: Stilvoll strampeln im Retro-Look mit aktueller Antriebstechnik

Die Vorteile der elektrischen Unterstützung zeigen sich an der Ampel. Beim ersten Treten setzt der Motor ein und beschleunigt mit, sodass das zähe Anfahren entfällt. Je nach Einstellung zwischen Stufe eins und fünf schiebt der Mittelmotor das White Knight mit mehr oder weniger Nachdruck vorwärts. Normale Radfahrer kämpfen zu diesem Zeitpunkt noch mit Gleichgewicht und Pedaltritt.

Es dauert aber eine Weile, bis man die veränderten Tretbedingungen verinnerlicht. Wer wie bei einem normalen Fahrrad permanent mit der gleichen Kraft in die Pedale steigt, arbeitet mehr gegen den Elektromotor als mit ihm. Es gilt, bei moderatem Tempo in Einklang mit der elektrischen Unterstützung zu fahren. Nur so kann sich die Kraft des Mittelmotors wirklich entfalten, der mit 80 Newtonmeter einer der Stärksten auf dem Markt ist. Besonders angenehm ist das bei Steigungen, die auf einmal mühelos gemeistert werden.

Für Raser ist so ein Pedelec allerdings nichts. 28 Kilometer pro Stunde schafft das White Knight spielerisch, darüber hinaus wird es mühselig. Dann stellt der E-Motor seine Hilfe ein und die Muskeln müssen allein mit dem 23 Kilogramm schweren Rad zurechtkommen. So sind 30 Kilometer pro Stunde auf ebener Strecke nur schwer zu erreichen. Der siebte und achte Gang erscheinen dann auch überflüssig. Geht es bergab und das Rad gelangt im Rollen über 30 Kilometer pro Stunde, sind die beiden Gänge zu niedrig, um noch weitere Geschwindigkeit aufzunehmen.

Zu kaufen gibt es die Elektro-Fahrräder entweder im Onlineshop des Herstellers, in dem Farben, Ausstattung und die Stärke des E-Motors kombiniert werden können, oder in Geschäften in Zürich, Basel, Berlin und München. Die anvisierte Kundschaft dürfte damit klar sein: Städter, die passend zu Mini und iPhone noch ein vorzeigbares Pedelec benötigen. Passend zum Erscheinungsbild tragen die Räder nicht etwa schnöde Buchstaben-Zahlen-Kombinationen, wie bei Bikes üblich, sondern Namen passend zur Farbe. Zum Beispiel "Man in Black" (natürlich schwarz) oder "Cleopatra" (irgendetwas zwischen gold-, kupfer- und bronzefarben).

Die Räder sind elegante Gleiter. Wer meist länger unterwegs ist und vor allem schneller fahren möchte, greift besser zu einem E-Bike, das bis zu 45 Kilometer pro Stunde beschleunigt und auch zum Pendeln zwischen zwei Städten geeignet ist. Das braucht aber eine Versicherung und darf von vielen Fahrern nur mit dem entsprechenden Führerschein und mit Helm bewegt werden. Mit dem moderaten Preis ist es dann ebenfalls vorbei. Etwa 4000 Euro kostet die entsprechende Variante von Ego Movement. Die ist nicht mehr retro-weiß, sondern mattschwarz. Und heißt, natürlich: "Black Jack".

© SZ vom 08.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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