Neue Mobilfunkgeneration:Gegen den Stau auf der Datenautobahn

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Luftschnittstelle: Neue engmaschige Datennetze an der Autobahn sollen den Weg für das vernetzte und hoch automatisierte Fahren bereiten. (Foto: N/A)

Beim Netzausbau auf den neuen 5G-Standard will Europa nicht den Anschluss an Südkorea und die USA verlieren.

Von Joachim Becker und Helmut Martin-Jung

Olympia ist der Ernstfall. Ein Stadion voller Menschen - und viele von ihnen wollen die Veranstaltung filmen und gleichzeitig ins Internet stellen. Mit herkömmlichen Mobilfunknetzen ist das so gut wie unmöglich. Deshalb treibt Südkorea den neuen Mobilfunkstandard 5G mit hohem Aufwand voran. Zu den Olympischen Winterspielen 2018 will das Land diverse Übertragungstechniken im größerem Rahmen testen. Um auch 360-Grad-Videos der Sportereignisse im Internet verbreiten zu können, wollen Telekommunikationsunternehmen mehrere Testnetze aufbauen - obwohl erst wenige Standards für das Funknetz der Zukunft definiert sind.

Weltweit gibt es im kleineren Maßstab bereits zahlreiche Feldversuche. Im Jahr 2020 sollen die ersten Netze verfügbar sein, in denen Daten vom Kühlschrank über Streaming-Videos bis hin zu den autonom fahrenden Autos in atemberaubender Geschwindigkeit fließen sollen. 5G habe 1000 Mal mehr Kapazität als heutige Hochleistungsnetze, sei 100 Mal schneller und ermögliche zehn Mal kürzere Verzögerungszeiten, pries Telekom-Chef Timotheus Höttges die Vorzüge auf dem Mobile World Congress in Barcelona.

"Der neue Mobilfunkstandard 5G zählt derzeit zu den wichtigsten Fortschritten in der Technologiebranche", sagt auch Christian Lamprechter, "denn Prognosen zufolge werden im Jahr 2020 bereits rund 50 Milliarden Geräte miteinander verbunden sein", so der Intel-Manager in Deutschland weiter. Es ist die schiere Menge von Geräten, die bisherige Serverlandschaften an ihre Grenzen bringen. Wenn Fahrzeuge oder Drohnen nicht mehr die Erfahrung eines Piloten nutzen können, müssen zum Beispiel alle Phasen des Umfeldverständnisses und der Wegeplanung abgesichert werden. Dafür sammeln die Autos alle Daten aus der Umwelt, die sie bekommen können: von der Verkehrslage an der nächsten Kreuzung bis zur Überholwarnung auf der Autobahn.

Wie der intelligente Mobilfunk Unfälle verhindern kann, erproben Bosch, Vodafone und Huawei derzeit auf der Autobahn A9 bei Allershausen. Ein eigens eingerichtetes Hochgeschwindigkeitsfunknetz ermöglicht die Echtzeitkommunikation zwischen Fahrzeugen. Die vernetzten Autos senden dabei beispielsweise Infos zur Geschwindigkeit, zur Position und zum Spurwechsel direkt an alle Fahrzeuge im Umkreis von 320 Metern - ganz ohne Umwege und deshalb frei von Verzögerungen. Mit diesen Informationen können Autos weiter "sehen" als ihre Sensoren reichen. Automatisierte Fahrzeuge wissen beim Spurwechsel auf der Autobahn daher, ob hinter ihnen ein anderes Auto mit hoher Geschwindigkeit naht. Bei widrigen Sichtverhältnissen durch Regen, Schnee oder Nebel ist das Zusammenspiel ebenso hilfreich: Autos können die Messwerte ihrer Sensoren auch in die Cloud schicken, um andere vorausschauend beispielsweise vor Eis und Aquaplaning zu warnen.

Manche Informationen lassen sich direkt von Fahrzeug zu Fahrzeug übertragen. Vieles muss parallel auch in der Cloud ausgewertet und gespeichert werden. Jason Waxmann, der bei Intel für die Rechenzentren verantwortlich ist, erwartet, dass 2030 allein zehn Prozent aller Rechenzentren weltweit für das autonome Fahren gebraucht werden. Die Autos werden damit zu mobilen Endgeräten eines zentralen Großhirns in der Cloud - wenn der Datenverkehr reibungslos klappt.

Die Übertragung zwischen den Geräten und ihrem jeweiligen zentralen Server könnte auch bei Fabriken, Landwirtschaftsbetrieben und Krankenhäusern zum Engpass werden. Deshalb hat die Bundesregierung angekündigt, weitere Milliarden in den Netzausbau zu investieren. Trotzdem mehren sich die Zweifel, ob der Ausbau schnell genug erfolgt. Im Wettlauf der Nationen um die leistungsfähigsten Netze liege Europa nicht zurück, warnt Arun Bansal, Europa-Chef des Netzwerkbetreibers Ericsson: "Wir sind derzeit in 33 Projekten beteiligt, die nahezu gleichmäßig auf alle Kontinente verteilt sind", sagte Bansal kürzlich. Allerdings knirscht es noch in der Abstimmung zwischen der Europäischen Politik und den Betreiber-Konsortien für 5G. Deshalb fürchten viele Beobachter, dass Europa in dem Technologierennen hinter die Vereinigten Staaten und Korea zurückfallen könnte.

© SZ vom 08.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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