Kommentar:Weniger Autos besser nutzen

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Elektroautos brauchen eine bessere Ladeinfrastruktur, meint Joachim Becker. (Foto: N/A)

Umweltfreundliche und voll alltagstaugliche (Elektro-) Autos werden teuer. Als Ausgleich könnten wir Privatwagen in Zukunft teilen. Das würde die eigentliche Wende fürs Klima bringen - und für die verstopften Straßen.

Von Joachim Becker

Es ist eine Frage des gesunden Menschenverstandes: Unsere Autos werden immer größer und leistungsstärker. Wie können sie dann wesentlich sparsamer werden? Konventionelle Maßnahmen zum Energiesparen sind weitgehend ausgereizt. Also wird vor allem für den Prüfstand optimiert. Während die offiziellen C0₂-Werte sinken, bleiben die Realverbräuche kaum verändert. Das zeigen Untersuchungen, die das ICCT in dieser Woche veröffentlichte: Die unabhängige Forschungsorganisation, die den VW-Abgas-Skandal ins Rollen brachte, hat bei Neuwagen im Durchschnitt Abweichungen von 42 Prozent zwischen Labor und Straße gemessen. Alles legal, beteuern die Hersteller. Das Problem ist altbekannt.

Aber die Situation wird sich in den nächsten Jahren weiter verschärfen. Ein neuer, anspruchsvollerer Prüfzyklus (WLTC) wird es den Herstellern nicht leichter machen, ihre CO₂-Zielvorgaben für 2021 zu erreichen. Zumal billiger Kraftstoff keinen Anreiz für den Kauf von teurer Spartechnik bietet. Das merken die Hersteller beim schleppenden Absatz von Elektroautos. Und das werden sie bei der Einführung von Niedervolt-Hybriden erneut zu spüren bekommen: 48-Volt-Systeme sollen als nächster Effizienzschritt die Masse der Neuwagen sparsamer machen. Realistisch mindern sie den Verbrauch um rund zehn Prozent, indem sie Schubenergie beim Bremsen zurückgewinnen. Aber auch Micro-Hybride kosten Geld. Derartige Diät-Benziner werden fast so teuer wie Dieselmodelle, die ihrerseits durch höhere Umweltauflagen immer aufwendiger und daher teurer werden.

Elektroautos sind keine Lösung, wenn sie ungenutzt rumstehen

Die konsequente Energiewende im Verkehr ist kein Selbstläufer. Zwischen 1990 und 2014 hat der Verkehr seine Treibhausgasemissionen nur um zwei Prozent reduziert. Bis 2030 sollen diese Emissionen aber um 40 bis 42 Prozent gegenüber 1990 gemindert werden. Ohne einen Umstieg auf Elektrofahrzeuge wird das nicht funktionieren. Die Elektromobilität sei von allen treibhausgasneutralen Lösungen die "volkswirtschaftlich günstigste", verkündet Maria Krautzberger. Die Präsidentin des Umweltbundesamtes (UBA) bezieht sich auf Hochrechnungen für die Jahre um 2030 und später. Bis dahin werden die Neuwagenpreise weiter steigen. Schon jetzt sind die ersten wirklich alltags- und wintertauglichen Elektroautos mit einer realen Reichweite von mehr als 200 Kilometern beileibe keine Schnäppchen, von Teslas Luxus-Stromern gar nicht zu reden.

Individuelle Mobilität wird auf Sicht also teurer. Deshalb spricht viel dafür, dass sich in den nächsten Jahren nicht nur unsere Antriebe, sondern auch die Art ändern wird, wie wir Privatautos nutzen. Statt 23 Stunden pro Tag auf einem Parkplatz rumzustehen, könnten sie in fortschrittlichen Carsharing-Lösungen eingesetzt werden. Insgesamt bräuchten wir dann weniger, aber intelligentere und umweltfreundlichere Fahrzeuge. Das könnte die eigentliche Wende für unser Klima bringen - und für unsere verstopften Straßen.

© SZ vom 19.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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