Kommentar:Kleine Münze reicht nicht

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(Foto: N/A)

Tanken wird immer billiger, um die 20 Euro spart man derzeit mit einer Tankfüllung. Schlechte Zeiten also für die teuren Elektroautos? Klar ist: für mehr Klimaschutz müssen sie billiger und ihre Nutzung attraktiver werden.

Von Joachim Becker

Schnäppchenjäger aufgepasst: Tanken wird immer billiger. Diesel könnte künftig nur noch 80 Cent pro Liter kosten. Das ist ein Bonus von mehr als 20 Euro pro Tankfüllung gegenüber den Preisen von vor zwei Jahren. Eine launige Autowerbung könnte uns jetzt sagen: Wer mehr tankt, spart auch mehr.

Also gebt Gas und habt Spaß! Scherz bei Seite. Die Welt steckt wieder einmal mitten in einer Ölkrise. Nicht wie 2008, als die Rohölpreise auf 140 Dollar je Fass (159 Liter) stiegen. Dieses Mal ist es schlimmer. Bei Preisen von weniger als 40 Dollar je Fass wird der Entzug von der Droge des billigen Öls immer schwieriger. Beim Autokauf schaut die große Mehrheit auf die billigen Spritpreise und nimmt auch den Steuervorteil des Diesel-Kraftstoffs gerne mit. Der Klimaschutz scheint in einer anderen Gehirnhälfte stattzufinden.

Dabei haben wohl die meisten Menschen die Pariser Beschlüsse zur Stabilisierung des Weltklimas erleichtert aufgenommen. Doch das ist schon fast wieder eine Woche her. Im Alltag wird mit kleiner Münze bezahlt und Elektrofahrzeuge sind noch immer teuer. BMW-Entwicklungschef Klaus Fröhlich spricht von einer "kognitiven Dissonanz" der europäischen Kunden: Reden und Verhalten seien beim Thema der alternativen Antriebe nicht deckungsgleich, besonders in Deutschland.

Was tun? Angesichts ihrer Mikro-Marktanteile müssen Elektrofahrzeuge billiger und ihre Nutzung attraktiver werden. Dazu muss die Politik den mühsamen Technologie-Wandel endlich wirksamer unterstützen, etwa beim Aufbau eines flächendeckenden Netzes leistungsfähiger Ladestationen. Klimaschutz fängt in den Innenstädten an, dort müssen die Stromer viel mehr Privilegien bekommen. Die Öffnung aller Parklizenzzonen in München für Carsharing-Fahrzeuge und das freie Parken für Stromer sind der richtige Weg. In Kalifornien und Norwegen, ja selbst in Paris ist der politische Wille zum Umdenken allerdings noch größer.

Auch die Automobilindustrie muss ihre Anstrengungen deutlich erhöhen und den E-Fahrzeugen mehr als nur eine Nische in der eigenen Modellpalette einräumen. VW-Boss Matthias Müller hat vor wenigen Tagen gesagt, er sehe die Zukunft in der Elektromobilität, VW werde künftig andere Autos bauen. Diese Bekehrung eines Mannes, der bis vor Kurzem noch für Porsche - gewissermaßen eine der Kultstätten des Verbrennungsmotors - zuständig war, mag man für ein ökologisches Lippenbekenntnis halten. Aber die Elektronikmesse CES wird in wenigen Wochen in Las Vegas zeigen, wohin die (Mobilitäts-)Trends gehen. Dann werden nicht nur VW-Markenchef Herbert Diess, sondern auch Start-up-Unternehmen wie Faraday Future ihre Visionen vorstellen: hoch automatisierte Autos mit neuen Geschäftsmodellen - und natürlich mit Strom angetrieben. Wenn diese Zukunft kommt, wird das bisherige Geschäft mit den Verbrennern ganz schön alt aussehen.

© SZ vom 19.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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