Kolumne:Im Zug in die Zukunft

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Auch im neuen ICE ist die Bahn sich weitgehend treu geblieben: Die Anzeigen der Sitzplatzreservierungen fallen weiterhin aus. So trägt sie vorausschauend schon einmal der Tatsache Rechnung, dass zu viele Neuerungen den Kunden nur verwirren würden.

Von Till Kronsfoth

Irgendwie ist es ja en vogue geworden, auf die Deutsche Bahn zu schimpfen. Dabei lässt sich bei einer Fahrt mit einem ICE der neuesten Generation zunächst einmal lobend konstatieren: Wer Retro mag, der wird die neuen ICE-Waggons lieben. Das Design der Kopflehnen hat sich verändert, diese haben seitlich nun Flügel und erinnern an Urgroßmutters Ohrensessel. Und die Gepäckfächer ziert ein orangeroter LED-Streifen, was Assoziationen mit der Brückenausstattung des ersten Raumschiffs Enterprise weckt.

In anderer Hinsicht jedoch ist die Bahn sich treu geblieben: Die Anzeigen der Sitzplatzreservierungen fallen weiterhin aus. So trägt die Bahn durchaus vorausschauend schon einmal der Tatsache Rechnung, dass zu viele Neuerungen den Kunden nur verwirren würden. Und wer sich in einem der Sitze niederlässt, der merkt sofort: Irgendwas ist hier anders. Eine Frau in der Reihe davor hat das Problem sofort identifiziert und schnappt sich die Schaffnerin: "Sagen Sie, kann es sein, dass der Sitzabstand in den neuen ICEs geringer ist?" - "Ja", erklärt die Zugbegleiterin unumwunden und fügt hinzu: "Dafür können wir in einem Zug jetzt bis zu 150 Personen mehr unterbringen." Als sie versucht, sich wegzudrehen, prallt sie mit der Hüfte gegen einen Sitz, schneidet eine schmerzverzerrte Grimasse und sagt gequält: "Ein paar blaue Flecken muss man allerdings in Kauf nehmen."

Nach etwa einer Stunde Fahrtzeit spürt man, dass sich die Temperatur nicht gerade im Wohlfühlbereich befindet. Frage an den Fahrkartenkontrolleur: Lässt sich die Klimaanlage etwas wärmer stellen? Lapidare Antwort: "Nein." Die reguliere der Zug automatisch. Aber eine solche Technik wird ja jemand programmiert haben? Auch da lernt man dazu: "Der Zug programmiert das von alleine", klärt der Mitarbeiter auf. "Er misst die Außentemperatur mit einem Wärmefühler und passt die Temperatur hier drinnen an."

Der Zug will also, dass seine Passagiere frieren. Das erinnert stark an den Film "Matrix" von 1999, wo Maschinen in der Lage sind, die Herrschaft über die Menschheit zu übernehmen. Damals hielt man das für ein völlig überzogenes Zukunftsszenario. Im ICE 4 wird klar: So weit weg scheint die Zukunft gar nicht mehr zu sein.

© SZ vom 05.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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