IAA Frankfurt:Mobilität von gestern

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Dieter Zetsche 2013 im neuen Concept S-Class Coupe auf der IAA in Frankfurt. (Foto: Daniel Reinhardt/dpa)

Die IAA will in dieser Woche wieder internationale Leitmesse sein. Dafür ist mehr als ein Innovationsfeuerwerk nötig. Die Messe braucht Leitbilder für den Stadtverkehr von morgen.

Von Joachim Becker

Ist das Auto Motor des Fortschritts? Diese Frage stellt sich diese Woche auf der IAA. Mit 210 Weltneuheiten will die "internationale Leitmesse" ein "Innovationsfeuerwerk" abbrennen. Zu einer Leitmesse gehören aber auch Leitbilder für die Zukunft. Damit sieht es ziemlich mau aus: "Mobilität verbindet" - der IAA-Slogan würde ebenso gut zur Deutschen Bahn passen. Vom Auto ist keine Rede, erst recht nicht von einer Neuerfindung individueller Mobilität.

Dabei stehen in der Branche alle Zeichen auf Sturm: Den Automobilisten des 20. Jahrhunderts gibt es nicht mehr. Die großen Freiheiten auf wenig befahrenen Straßen sind eine sentimentale Erinnerung. Schneller als gedacht, werden die tollkühnen Maschinisten von automatisierten Fahrfunktionen ersetzt. Roboterautos können bald vieles besser als die gestressten und leicht ablenkbaren Menschen hinter dem Steuer. Was bleibt von den Herzschlag-Mythen dann übrig? "Die Idee des Automobilisten im 21. Jahrhundert ist noch nicht erfunden", sagt der Stuttgarter Maschinen-Ethiker und Philosoph Rafael Capurro.

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VDA-Präsident Matthias Wissmann versichert, das Automobil spiele weiterhin eine zentrale Rolle: "Kein Verkehrsträger allein wird in der Lage sein, den wachsenden Verkehr - insbesondere in den Städten - zu bewältigen." Doch im multimodalen Flickenteppich der Zukunft muss das Auto seine (nicht mehr beherrschende) Rolle erst noch finden. Daimler Zukunftsforscher denken bereits über eine neue Form von Shared Space nach: Die Innenstädte in immer überfüllteren Ballungsräumen könnten für konventionelle Autos gesperrt werden. Lediglich autonome Fahrzeuge dürfen diese riesige Fußgänger- und Fahrradzonen durchqueren - indem sie durch Leuchtsignale mit allen anderen Verkehrsteilnehmern interagieren.

"Jeder, der sich nur auf Technologie fokussiert, hat noch nicht erfasst, dass autonomes Fahren unsere Gesellschaft verändern wird", bringt es Daimler-Chef Dieter Zetsche auf den Punkt. Im Umkehrschluss gilt: Auf der traditionell technikverliebten IAA muss eine ernsthafte Diskussion darüber stattfinden, wie sich die Gesellschaft verändern (lassen) will. Auch Google hat erkannt, dass das Auto der Zukunft nicht unabhängig von der Stadtentwicklung funktionieren kann: Die neue Tochterfirma Sidewalk Labs soll das Leben in den mehr oder weniger smarten Citys verbessern. Fragt sich nur, ob dafür technische Innovationen ausreichend sind - und ob es genügt, Menschen lediglich als passive Konsumenten zu betrachten: "Je früher wir die Öffentlichkeit für die faszinierenden Möglichkeiten der individuellen Mobilität von morgen begeistern, umso schneller werden aus Innovationen Märkte", verkündet VDA-Präsident Matthias Wissmann frohgemut.

Wer Stadtverkehr als Spielzeugeisenbahn und nicht als Gewebe von (selbstorganisierenden) Netzwerken sieht, verpasst den Anschluss ans 21. Jahrhundert. Ohne den (Daten-)Beitrag engagierter Bewohner werden Megacitys nicht funktionieren. Das darf auf der New Mobility World als dem Experimentierfeld der IAA nicht aus dem Blick geraten.

© SZ vom 12.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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