Bahnhöfe in der Literatur:Worauf Autoren abfahren

Abreise und Ankunft, schmerzliche Trennung und innige Begrüßung: Bahnhöfe sind Schicksals- und Sehnsuchtsorte. Kein Wunder also, dass Schriftsteller sie lieben.

Günther Fischer

"Ich könnte jahrelang zu Hause sitzen und zufrieden sein. Wenn nur nicht die Bahnhöfe wären", schrieb der altösterreichische Joseph Roth. "Der Bahnhof weiß nur von Freuden oder Tränen", gab der amerikanische Schriftsteller William Faulkner zu Protokoll.

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:Kathedralen der Mobilität

"Der Bahnhof weiß nur von Freuden oder Tränen", schrieb einst der amerikanische Schriftsteller William Faulkner. Kein Wunder, dass Bahnhöfe beliebte Schauplätze für Schriftsteller sind.

Kein Wunder also, dass dieser Ort für viele Schriftsteller so etwas wie ein Lieblingsschauplatz ist, ein Gebäude, das nur allzu oft Schicksal spielt und in dem Lebensläufe urplötzlich eine andere Richtung einschlagen.

Bei Tolstoi zum Beispiel verliebt sich Graf Wronskij, der eigentlich nur seine Mutter abholen wollte, auf dem Petersburger Bahnhof in Anna Karenina. Italo Svevo lässt in seiner Erzählung "Kurze sentimentale Reise" den biederen Geschäftsmann Aghios in Mailands Stazione Centrale erst den Zug nicht finden und dann den Halt verlieren. George Simenon wiederum holte sich am Gare du Nord in Paris all die Eindrücke, die er dann seinem legendären Kommissar Maigret mitgab.

Paul Celan erkannte 1938 im Berliner Anhalter Bahnhof das Menetekel kommender Zeiten, während derselbe Bahnhof in Walter Benjamins Gedächtnis eine geliebte Kinderheitserinnerung darstellt. Für Erich Kästners Fabian wiederum ist der "Anhalter" die letzte Rettung, um dem "hoffnungslosen, unbarmherzigen Labyrinth" Berlin zu entkommen.

All diese Geschichten (und noch viele mehr, sowie die einschlägigen Bahnhöfe in Bildern) hat die Schweizer Publizistin Lis Künzli in ihrem Buch "Bahnhöfe - ein literarischer Führer" versammelt. Ein Buch, das auf 150 Jahre alltägliches, bizarres, komisches und melodramatisches Bahnhofstreiben zurückblickt und das mit dem Leser auf eine Reise von Paris nach Moskau, von Hamburg nach Triest und von Kalkutta bis New York geht.

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