Weitere Ausbreitung:Schweinegrippe erreicht Asien

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Asien meldet den ersten Fall von Schweinegrippe. Bayern stockt seine Medikamentenvorräte auf - und die mexikanischen Behörden erheben Vorwürfe gegen die WHO.

In Deutschland ist erstmals die sich weltweit ausbreitende Schweinegrippe von Mensch zu Mensch übertragen worden. Dennoch besteht nach Einschätzung der Gesundheitsbehörden kein Grund zur Panik. Eine Krankenschwester habe sich in Niederbayern bei einem in Mexiko infizierten Patienten angesteckt, ihr gehe es aber wieder gut, sagte der Präsident des Robert Koch-Instituts, Jörg Hacker, am Freitag in Berlin. Die bisher bundesweit nachgewiesenen fünf Fälle, darunter vier in Bayern und einer in Hamburg, verliefen insgesamt milde. Die Krankheit erreichte unterdessen Frankreich und Asien.

Schweinegrippe in Deutschland: Bislang wurden fünf Fälle bestätigt. (Foto: Foto: dpa)

Trotz der Gefahr einer Pandemie bestehe weiter kein Grund zur Hysterie, obwohl es vermutlich weitere Fälle geben werde: "Wir müssen mit weiteren Ansteckungen auch innerhalb Deutschlands rechnen", sagte Hacker. Weltweit ist die Zahl der bestätigten Schweinegrippe- Erkrankungen nach Angaben des EU-Zentrums für Seuchenbekämpfung (ECDC) bis Freitag auf deutlich mehr als 500 gestiegen. In Mexiko waren am Freitagabend 359 Menschen infiziert, in den USA 141.

Die WHO sah zunächst keinen Anlass, die Pandemie-Warnung von Stufe 5 auf die höchste Stufe 6 anzuheben. "Wir sehen derzeit nur eine flächenmäßige Ausdehnung in zwei Ländern, in Mexiko und den USA", sagte WHO-Sprecher Gregory Hartl in Genf. Für die Stufe 6 müsse dies auch in zwei verschiedenen Regionen, nachgewiesen sein. Die Menschen könnten derzeit noch viel tun, um sich selbst zu schützen. Derzeit verliefen die Fälle von Schweinegrippe in der Mehrzahl sehr milde. "Wir wissen aber nicht, was die Zukunft bringt", sagte Hartl.

Virus breitet sich aus

Das EU-Zentrum für Seuchenbekämpfung (ECDC) in Stockholm hat auf Basis bisheriger Grippeepidemien im 20. Jahrhundert die Folgen der Schweinegrippe abgeschätzt. Demnach könnten 25 bis 35 Prozent der Bevölkerung infiziert werden. Ein Drittel der Angesteckten werde jedoch der Schätzung zufolge keinerlei Krankheitssymptome zeigen. Geschätzt rund vier Prozent der Erkrankten hätten schwerere Symptome, die einen Krankenhausaufenthalt zur Folge hätten.

Unterdessen wurden auch in Frankreich am Freitag die ersten Schweinegrippe-Fälle bestätigt. Laut Gesundheitsministerin Roselyne Bachelot wurden zwei Erkrankungen nachgewiesen. Eine dritte Person leide sehr wahrscheinlich an dem Virus. Sämtliche Betroffene waren zuvor in Mexiko. Ihnen gehe es jetzt aber gut, sagte die Ministerin.

Frankreich hatte bereits am Donnerstag die Stufe fünf des nationalen Notfallplans ausgerufen. Sie erlaubt stärkere Grenzkontrollen und Reisebeschränkungen und sieht eine Informationskampagne vor. Zudem werden Grippemedikamente und Masken bereitgestellt.

Auch Asien betroffen

Erstmals wurde das Virus am Freitag auch in Asien festgestellt. In Hongkong wird ein Mann aus Mexiko an der Schweinegrippe behandelt, der über Schanghai eingereist war. Bislang sind weltweit 16 Menschen an dem Virus gestorben, 15 davon in Mexiko und einer in den USA. Die US-Gesundheitsbehörden warnten unterdessen davor, Kindern mit Grippesymptomen Aspirin zu geben. Dies könne zu schwerwiegenden Schädigungen führen.

Von zwölf Verdachtsfällen in Deutschland seien inzwischen fünf durch virologische Analysen widerlegt worden, sagte Hacker. Im Fall der Krankenschwester aus Niederbayern, die sich mit dem Virus vom Typ A/H1N1 infizierte, hat das Institut RKI zwei Experten nach Bayern entsandt. Sie sollen die örtlichen Behörden bei der Aufklärung des Übertragungsfalls unterstützen und das Virus untersuchen.

Ebenfalls einen Fall, bei dem sich ein Mensch angesteckt hat, ohne in Mexiko gewesen zu sein, wurde aus Großbritannien bekannt. Ein junger Mann holte sich den Erreger von einem befreundete Ehepaar, das in Mexiko die Flitterwochen verbracht hatte.

Dass die Krankheit in Mexiko so viel heftiger verlaufe als bei den bisherigen Fällen in Deutschland, sei vermutlich auf die Grippesaison in dem südamerikanischen Land zurückzuführen, sagte Hacker. "In Deutschland ist die Grippeperiode bereits beendet, die Menschen haben eine gewisse Immunität gegen die Influenza-Viren aufgebaut."

Aufstockung der Vorräte

Beim fünften Patienten in Deutschland handelt es sich um einen Mexiko-Reisenden. Er lebt in Oberbayern und ist Mitte 20. Wie zwei weitere Patienten aus Bayern ist er bereits wieder gesund. Ein 37-Jähriger wird dagegen weiter im Uniklinikum Regensburg behandelt. Er zeigt keine Grippesymptome mehr, leidet aber an einer chronischen Grunderkrankung. Die 22-jährige Frau, die im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf behandelt wird, liegt weiter auf der Isolierstation.

Bayern stockt nach Angaben von Gesundheitsminister Markus Söder (CSU) angesichts der Situation seine Vorräte an Grippemedikamenten auf. Man peile Reserven für 30 Prozent der Bevölkerung an, nachdem bisher für 20 Prozent Grippemittel zur Verfügung gehalten wurden.

Nach Angaben von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist Deutschland insgesamt gut gegen die Schweinegrippe gerüstet. "Jetzt werden wir als nächsten Schritt gezielt mit den Ländern sprechen, ob die Vorräte an Grippemedikamenten ausreichen", sagte Merkel der Neuen Presse in Hannover.

Auch in den anderen Ländern Europas seien die Krankheitsverläufe bisher ausnahmslos "milde", erklärte das ECDC. Mit den deutschen Fällen sind in Europa mindestens 30 Erkrankungen bestätigt. Insgesamt sind Schweinegrippe-Erkrankungen aus sieben EU-Ländern gemeldet worden: Frankreich (2), Spanien (13), Großbritannien (10), Deutschland (5), Österreich (1), Dänemark (1), Niederlande (1) sowie aus der Schweiz (1).

Die massive Erhöhung der Krankenzahlen außerhalb Europas innerhalb von 24 Stunden von 155 auf 454 beruhe vor allem auf neuen Daten aus Mexiko, hieß es weiter. Bei neun neuen Fällen in Kanada von Donnerstag bis Freitagmorgen stehe die Ausbreitung in einer Schule im Hintergrund, teilte das ECDC weiter mit. Am späten Mittwochabend hatte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) erstmals die zweithöchste Pandemie-Warnstufe 5 ausgerufen. Die WHO hatte die sechsstufige Alarmskala im Jahr 2005 eingeführt.

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