US-Wahl 2008:Je ein Ohr für die Wissenschaft

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Beide US-Präsidentschaftskandidaten wollen die forschungsfeindliche Politik von Bush beenden. Aber auf unterschiedliche Weise.

Hubertus Breuer

Es soll wieder anders werden. Nachdem die US-Regierung unter George W. Bush jahrelang politisch unbequeme Forschungsberichte zensiert, staatlich besoldete Wissenschaftler gegängelt und Parteigänger an Schaltstellen zwischen Politik und Wissenschaft positioniert hat, dürfte ein dunkles Zeitalter für die Wissenschaft in den USA zu Ende gehen.

Beide Bewerber wollen die Erforschung alternativer Energiequellen in den kommenden Jahren vorantreiben. Der Demokrat Barack Obama (links) setzt dabei auf die Gestaltungsmöglichkeiten des Staates. Der Republikaner John McCain will hingegen die Kräfte des freien Marktes walten lassen. (Foto: Foto: dpa)

Beide Kandidaten der Präsidentschaftswahl am 4. November - Barack Obama und der in Umfragen zurückliegende John McCain - versichern, im Amt mehr auf die Wissenschaft zu hören.

Zwar wollten sich der Jurist Obama und der Ex-Marinepilot McCain in den vergangenen Monaten nicht auf eine Fernsehdebatte einlassen, bei der die Wissenschaft im Mittelpunkt steht. Aber beide Kandidaten haben 14 Fragen der Initiative Science Debate 2008 nach ihrer Haltung in Sachen Wissenschaft beantwortet. Obama hat zudem dem Fachblatt Nature ein Interview gewährt, was McCain allerdings ablehnte.

Beide Kandidaten versprechen, die Etats für Grundlagenforschung, Ingenieurswissenschaften und Bildung zu erhöhen. Doch diese legten auch unter George W. Bush zu. Worauf es ankommt, ist, wie das Geld eingesetzt wird. Beide politischen Lager kündigen an, vor allem die Erforschung alternativer Energiequellen zu fördern.

Die USA sollen auf diesem Wege ihren CO2-Ausstoß reduzieren und unabhängiger von Ölimporten werden. 150 Milliarden Dollar will Obama in die Entwicklung von Wind- und Solartechnologie, Erdwärme und anderer Energieressourcen investieren; auch Atomkraft zählt er dazu.

Das wird nach den Plänen des Senators aus Illinois nicht nur fünf Millionen "grüner Jobs" schaffen, sondern das Land in nur zehn Jahren vom Öl aus dem Nahen Osten und Venezuela unabhängig machen.

McCains Herangehensweise spiegelt hingegen seine politische Philosophie - er setzt auf den freien Markt. So präsentiert er als Lockmittel einen mit 300 Millionen Dollar dotierten Preis für jene Firma, die erstmals eine Batterie auf den Markt bringt, mit der Elektroautos denen mit Verbrennungsmotoren ebenbürtig sind.

Diese Vision einer grünen Zukunftstechnik wird flankiert von Ankündigungen einer neuen Klimapolitik. Obama wie McCain haben erklärt, Obergrenzen für Emissionen des Treibhausgases Kohlendioxid einzuführen. Damit folgen sie einem Trend in den USA, in denen Konzerne, Bundesstaaten und Städte längst freiwillig versuchen, den CO2-Ausstoß zu senken.

Mittel der Wahl ist der Handel mit Emissionszertifikaten, die regulieren, wie viel CO2 ausgestoßen werden darf. Bis 2050, so Obamas Fernziel, sollen die Emissionen in den USA auf ein Fünftel des Ausstoßes von 1990 sinken. Diesen Wert sieht auch das Intergovernmental Panel for Climate Change der UN als notwendig an, um einen irreversiblen Klimawandel zu vermeiden. McCain hält hingegen eine Reduktion um 60 Prozent bis 2050 für ausreichend.

Rat von 61 Nobelpreisträgern

Es fällt auf, dass Obama viele Fragen zu seiner Sicht der Naturwissenschaften detaillierter beantwortet als sein Konkurrent.

Der demokratische Bewerber hat den Vorteil, dass ihm eine Gruppe von 61 Nobelpreisträgern unter der Leitung des Mediziners Harold Varmus zur Seite steht. Zudem ist diese Ratgeberrunde nur eines mehrerer hochkarätiger Wissenschaftlergremien, die Obamas Wahlkampf unterstützen.

Da die Mehrheit der Forscher an amerikanischen Universitäten die demokratische Partei wählt, verwundert es wenig, dass sich McCains Beraterstab für wissenschaftliche Fragen vor allem aus der Industrie und früheren republikanischen Administrationen rekrutiert.

McCains Chefberater für Wissenschaft, Gesundheitswesen und Umwelt ist der Volkswirtschaftler Douglas Holtz-Eakin, der unter George W. Bush zwei Jahre lang die Haushaltsabteilung des Kongresses leitete.

Die enge Zusammenarbeit mit renommierten Forschern kommt nicht nur Obama zugute. Die Wissenschaftler hoffen, früh Grundlagen für die künftige Wissenschaftspolitik zu legen und bei einem Wahlsieg Obamas Schlüsselpositionen in Ministerien zu besetzen.

Nachdem Bush 2001 sein Amt antrat, dauerte es Monate, bis er den Physiker John Marburger zu seinem Wissenschaftsberater ernannte - da hatte er bereits die Entscheidung getroffen, die Forschung an neuen Stammzelllinien nicht zu fördern und den CO2-Ausstoß der Industrie - entgegen seinem Wahlversprechen - nicht zu regulieren. Anders als unter Bush, soll der Wissenschaftsberater unter Obama und McCain wieder einen Schreibtisch im Weißen Haus bekommen.

Der Einfluss der Forscher spiegelt sich auch in der von Obama avisierten Stammzellpolitik wider. Er antwortete Science Debate 2008 klar: "Kliniken für künstliche Befruchtung bewahren Hunderttausende Embryos auf, die früher oder später zerstört werden. Es ist ethisch vertretbar, diese überschüssigen Embryos für die Forschung zu nutzen, wenn sie freiwillig zu diesem Zweck gespendet werden."

McCain hingegen, der vor seiner Bewerbung Stammzellforschung unterstützte, will offenbar republikanische Stammwähler nicht vergrätzen und Bushs Politik weiterführen - das heißt, Fördergeld für Stammzelllinien, die vor 2001 existierten, bereitzustellen, aber keinen Cent für neu gewonnene Linien.

Wer vermutet, Obama sei der Vorkämpfer aller wissenschaftlichen Vorstöße, täuscht sich. So hat Obama noch im Juni wenig Begeisterung für die bemannte Raumfahrt gezeigt. In ersten programmatischen Äußerungen zur Zukunft der Nasa sprach er sich für Robotermissionen und die Stärkung der Geowissenschaften innerhalb der Nasa aus, deren Mittel zu Gunsten von Bushs Mond- und Marsvisionen stark gekürzt wurden.

Jobs für Cape Canaveral

Weiterhin stellte er in Aussicht, dass der Jungfernflug des neuen Orion-Raumschiffes um weitere fünf Jahre verschoben werden müsse. Mit dem gesparten Geld wolle er als Präsident stattdessen Bildungsprogramme fördern.

Doch dieser Verschlag drohte, eine ohnehin schon heikle Situation bei der Nasa zu verschärfen. Seit der von Bush geplanten Einstellung des Shuttle-Betriebs 2010 stand fest, dass Tausende Mitarbeiter sich nach neuen Arbeitsplätzen würden umsehen müssen. Der erst für 2015 geplante bemannte Erstflug des Orion-Raumfahrzeugs bot da keinen Ausweg.

Florida ist aber ein Wechselwählerstaat. Die Region um Cape Canaveral ist mal Demokraten, mal Republikanern zugeneigt. McCain versprach daher Ende Juli, das Shuttle-Programm zu verlängern und das neue Raumtransporterprogramm zu unterstützen.

Obama sah sich unter Zugzwang. Neuerdings verspricht er, dass unter seiner Führung das Shuttle länger fliegen und Orion schneller fertig gestellt würde. Spätestens bis 2020 will er Astronauten zum Mond und später zum Mars schicken.

Egal, wer die Wahl gewinnt, die ökonomische Realität wird viele Pläne rasch zunichtemachen. Zurückgehende Steuereinnahmen, der Rettungspakt für die Banken und die steigende Staatsverschuldung werden es dem Wahlsieger erschweren, seine Versprechen zu halten.

© SZ vom 22.10.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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