Tierschutz:Der Tod in der Wiese

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Rehe, Hasen, Vögel: Hunderttausende Wildtiere sterben jedes Jahr in Deutschland durch Mähmaschinen - völlig unnötig. Denn ihr Tod ließe sich verhindern.

Philipp Crone

Das junge Reh ist im hüfthohen Gras für Raubtiere kaum zu finden - trotzdem hat es keine Chance. Mit 25 Kilometern in der Stunde und auf einer Breite von 14 Metern kommt eine Mähmaschine auf das Versteck des Kitz zugefahren.

Gefährliche Maschinen: Hunderttausende Hasen, Rehe und Vögel fallen in Deutschland jedes Jahr den Mähdreschern zum Opfer. (Foto: Foto: AP)

Der lauter werdende Motorenlärm löst bei dem Tier keinen Fluchtreflex aus, sondern den Instinkt, sich ganz flach auf den Boden zu legen und sich nicht zu bewegen - bis es von den rotierenden Scheren des Mähwerks erfasst und zerhackt wird.

Laut einer Hochrechnung der Deutschen Wildtierstiftung sterben pro Jahr in Deutschland 500.000 Tiere durch Mähmaschinen. Hauptsächlich trifft es junge Hasen und Rehe, außerdem Vögel, die auf dem Boden brüten.

Von Mai bis Juni, wenn die Wiesen zum ersten Mal gemäht werden, kommt bei vielen Wildtierarten der Nachwuchs zur Welt. Durch den Einsatz neuester Technik sollen die Tiere in Zukunft nun besser geschützt werden.

Eigentlich müssen die Tiere auf Wiesen und Brachen, das sind Flächen, die landwirtschaftlich nicht genutzt werden, vor dem Mähen gewarnt werden. "Wenn der Landwirt mähen will, stimmt er sich vorher mit dem zuständigen Jäger ab", sagt Torsten Reinwald vom Deutschen Jagdschutz-Verband.

Übelriechende Substanz

Wer ohne Vorwarnung Wiesen mäht, verstößt gegen das Tierschutzgesetz. Der Jäger versucht am Abend vor der Mahd, die Tiere aus dem Feld zu vertreiben und Muttertiere davon abzuhalten, ihre Jungen auf dem Gebiet zu verstecken.

Manche Jäger stellen Duftzäune mit einer für Wildtiere übelriechenden Substanz auf, andere Kunststoffsäcke, die im Wind laut flattern; oft genügt es aber schon, die Tiere mit aufgedrehten Radios zu verscheuchen oder mit dem Traktor einmal um das Feld herumzufahren.

"Solche Maßnahmen kann man jeweils nur kurz vor der Mahd ergreifen, sonst gewöhnen sich die Tiere an Lärm und Gestank und bleiben im Feld", sagt Reinwald. Dies geschieht allerdings nicht immer, meist ist zu wenig Zeit die Ursache.

Abhängig vom Wetter müssen sich Landwirte manchmal kurzfristig zum Mähen entscheiden. Und mittlerweile mähen zudem in vielen Regionen Lohnunternehmer Brachen und Wiesen "und die haben einen sehr engen Zeitplan", sagt Reinwald.

Dabei wäre es schon hilfreich, wenn die Felder von innen nach außen gemäht würden. Denn dann können die Tiere flüchten. "Üblicherweise fährt die Maschine aber von außen nach innen, und dabei werden die Wildtiere in der Mitte des Feldes zusammengetrieben und am Ende vermäht", sagt Andreas Kinser von der Deutschen Wildtierstiftung.

"Innen anzufangen ist ein zusätzlicher Aufwand", sagt Jens Rademacher vom Deutschen Bauernverband. Er kenne kaum jemanden, der so mäht.

Auch Mähdrescher, die im Herbst die Getreideernte einfahren, töten Tiere, allerdings weitaus weniger. Zum einen sind Jungtiere zur Erntezeit schon so alt, dass sie bei Gefahr flüchten. Zum anderen sind Felder mit Monokulturen von weniger Tieren bewohnt als Wiesen und Brachen.

Beim Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz ist die Gefahr für Tiere durch Mähmaschinen seit langem bekannt, alljährlich werde durch Aufrufe an Maßnahmen zur Wildtierrettung erinnert, heißt es.

Infrarotkamera und Radarsystem

Seit einem Jahr unterstützt das Ministerium nun ein Projekt, das zusammen mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrttechnik (DLR) und einem Landmaschinen-Unternehmen Techniken entwickeln soll, mit denen die Tiere beim Mähen rechtzeitig entdeckt werden.

Mit einer wärmeempfindlichen Infrarotkamera etwa können Tiere sichtbar gemacht werden, da sie eine höhere Temperatur haben als ihre Umgebung. Doch ist diese Erkennung nicht möglich, sobald die Sonne scheint und die Umgebung erwärmt. Gemäht wird aber bevorzugt bei hochstehender Sonne, um eine möglichst trockene Mahd zu bekommen.

Momentan entwickeln die Forscher ein Mikrowellen-Radarsystem, das Tiere auf Grund ihres im Vergleich zur Umgebung hohen Wassergehalts erkennen kann. "Bis 2011 soll ein funktionsfähiger Prototyp fertig sein", sagt Peter Haschberger vom DLR. Die Sensoren werden auf einer Seite des Traktors drei Meter weit in das Feld hineinragen und können Kitze und andere Tiere im Vorbeifahren erkennen.

"Der Fahrer muss das Tier dann für die Dauer der Mahd einsperren, denn sonst kehren Jungtiere sofort ins Feld zurück", sagt Haschberger. Der Sensorzusatz für ein Mähwerk wird wohl einige tausend Euro kosten.

Etwa 100.000 Rehe sterben in Deutschland jährlich durch Mähmaschinen, bei Verkehrsunfällen sind es noch einmal doppelt so viele. Das sind zusammen etwa zehn Prozent der gesamten Population.

© SZ vom 19.06.2009/gal - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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