Tiefsee:10 928 Meter unter dem Meer

Lesezeit: 2 min

Victor Vescovo im Inneren der DSV Limiting Factor (Foto: Five Deeps Expedition)

Ein Abenteurer erreicht im Marianengraben eine Rekordtiefe - und entdeckt eine Plastiktüte. Auch an anderen entlegenen Winkeln der Erde findet sich mittlerweile Kunststoff.

Von Christoph von Eichhorn

Der amerikanische Abenteurer Victor Vescovo hat im Marianengraben einen neuen Tieftauchrekord aufgestellt. Der 53-jährige Unternehmer und Forscher erreichte mit dem U-Boot DSV Limiting Factor im Pazifik eine Tiefe von 10 928 Metern, wie das Team der "Five Deeps Expedition" bekannt gab. Das ist 16 Meter tiefer als der im Jahr 1960 aufgestellte Rekord des amerikanischen Ozeanografen Don Walsh und des Schweizer Abenteurers Jacques Piccard im U-Boot Triest. 2012 hatte der Regisseur James Cameron eine Tiefe von 10 908 Metern erreicht.

Die Expedition von Vescovo bestand aus insgesamt fünf Tauchgängen im April und Mai an verschiedenen Stellen des Marianengrabens. Diese tiefste Senke der Weltmeere liegt etwa 2000 Kilometer östlich der Philippinen nahe der Insel Guam. Der Rekord wurde demnach beim ersten Versuch am 28. April erreicht. Während der Tauchgänge stießen die Tiefseeforscher auf mindestens drei unbekannte Arten, darunter einen Krebs mit langen Gliedmaßen. Auf dem Boden des Marianengrabens fanden sich zudem eine Plastiktüte und Verpackungen von Süßigkeiten: Belege dafür, dass selbst der Grund der Tiefsee von der Vermüllung der Meere betroffen ist.

Das 4,6 Meter lange U-Boot muss das Tausendfache des Atmosphärendrucks aushalten

Es ist nicht die erste Expedition, die Kunststoff in vermeintlich unberührten Naturräumen findet. 2017 wies ein Forscherteam im arktischen Meer große Mengen Kunststoff nach. Die Gegend rund um den Nordpol scheint aufgrund der Strömungsverhältnisse eine Sackgasse für Plastik zu sein. Polarforscher des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) entdeckten vor einem Jahr, dass auch das Packeis der Arktis von erschreckend vielen Kunststoffteilchen durchdrungen ist. In einer Probe fanden sich in einem Liter Eis 12 000 Teilchen Kunststoff. Nach einer Schätzung im Fachmagazin Science landen jährlich rund acht Millionen Tonnen Plastik in den Ozeanen. Davon lässt sich nur ein Bruchteil später wieder an der Meeresoberfläche nachweisen. Der Großteil muss also irgendwohin verschwinden - möglicherweise auch in die Tiefsee, vermuten Forscher. Einige der bei der "Five Deeps"-Expedition eingesammelten Tiere sollen nun auf Rückstände von Kunststoff untersucht werden, um diese These zu überprüfen.

Ein weiteres wissenschaftliches Ziel der von Vescovo angeführten Unternehmung ist die Vermessung des Tiefseebodens. Mehr als 150 000 Quadratkilometer wurden mithilfe der Limiting Factor und ihres Mutterschiffs bereits kartiert. Der Marianengraben ist der vierte Zwischenstopp. In den letzten sechs Monaten besuchten die Forscher die tiefsten Senken im Atlantik (8376 Meter Tauchtiefe), im Südpolarmeer (7434 Meter) sowie eine 7192 Meter tiefe Stelle im Javagraben des Indischen Ozeans. Die Daten fließen in das Projekt "Seabed 2030" ein, das bis 2030 den Meeresboden der Erde vermessen will.

Möglich werden die häufigen Tauchgänge durch ein Spezial-U-Boot des Herstellers Triton Submarines. Das 4,6 Meter lange Gefährt muss in 11 000 Metern Tiefe einem Druck von mehr als 1000 Bar standhalten, dem Tausendfachen des Atmosphärendrucks auf der Erdoberfläche. Bis zu zwei Personen haben im Inneren der titaniumummantelten Kapsel Platz. Durchschnittlich dauerte eine Mission zwischen elf und zwölf Stunden - jeweils dreieinhalb Stunden für den Ab- und Aufstieg, und etwa die gleiche Zeit für Beobachtungen am Meeresboden.

Das nächste Ziel ist der Tongagraben im Südpazifik, der mit 10 882 Metern als zweittiefste Stelle der Weltmeere gilt. Zuletzt will Vescovo auf dem 5,6 Kilometer tiefen Molloytief in der Grönlandsee aufsetzen.

© SZ vom 15.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: