Stromerzeugung:Überall Energie

Lesezeit: 4 min

Um die mobilen Geräte der Zukunft mit Strom zu versorgen, suchen Forscher nach Wegen, um Energie aus Bewegung oder Wärme nutzbar zu machen.

Helmut Martin-Jung

"Dieses Ding ist schon ein bisschen frustrierend", sagt Yuji Suzuki und zeigt auf das Foto von einem japanischen Fächer. "Wenn man mit ihm wedelt, kann man die aufleuchtenden Schriftzeichen darauf nicht erkennen, aber wenn man ihn nicht bewegt, leuchten sie nicht."

Eine flexible organische Solarzelle zur Energieversorgung von Mikrobauteilen. (Foto: Foto: Fraunhofer ISE)

Hinter dem Dilemma des Professors für Maschinenbau von der Universität Tokyo steckt mehr als die zehn Sekunden Heiterkeit, die seinen Vortrag beim 2. Fraunhofer Symposium zum Thema Mikroenergietechnik auflockerten.

Es offenbart, welch faszinierende Möglichkeiten es gibt, Energie zum Beispiel aus Bewegung oder Wärme in kleinen und kleinsten Geräten nutzbar zu machen. Durchaus denkbar, dass es einmal Handys gibt, die nie mehr an die Steckdose müssen.

Eine Reihe technischer Tricks könnte das ermöglichen. Solarzellen mit ultrahohem Wirkungsgrad laden elektrisches Kleingerät auf, sobald auch nur ein Lichtstrahl darauf fällt, ein thermoelektrischer Generator liefert Strom aus Körperwärme, wenn es mal in der Hosentasche steckt.

Sollten alle Stricke reißen, erzeugt eine aus einem kleinen Methanoltank gespeiste Brennstoffzelle Strom, und das alles im besten Falle, ohne dass der Benutzer eingreifen muss. Wozu hat das Gerät schließlich eine intelligente Energieverwaltung?

Das Handy als Projektor

Besonders auf die mobilen Geräte richten sich die Hoffnungen der Branche, die sich auf dem Symposium in Freiburg mit Spezialisten austauschte.

Zwar gehen die Winzlinge immer effektiver mit der stets knappen Energie um, aber dafür wird ihnen auch immer mehr abverlangt. Bald schon, kündigte beispielsweise Christopher Hebling vom gastgebenden Fraunhofer Institut für Solare Energietechnik an, werde es Laser-Projektoren so klein wie ein Zuckerwürfel geben, ein GPS-Modul zur Satellitennavigation etabliere sich derzeit schon als Standard. Der Energiebedarf der Geräte bleibt damit relativ konstant, aber es werden immer mehr davon verkauft.

Was den Energieverbrauch angeht, lebt der Mensch ohnehin weit über seine Verhältnisse, rechnete Timothy Havel vom Massachusetts Institute of Technology vor. Wäre der Mensch ein Tier geblieben, müsste er 30 000 Kilogramm wiegen, um den von ihm verursachten pro-Kopf-Energieverbrauch zu rechtfertigen. Allein die Milliarden an Handys weltweit verbrauchen Hebling zufolge im Jahr etwa 500 Gigawattstunden Strom, eine 100-Watt-Glühbirne könnte damit mehr als 570.000 Jahre lang brennen.

Solche Mengen ausschließlich durch das "Ernten" von Energie aus der Umgebung zu gewinnen, werde noch lange ein Herausforderung bleiben. Als "kommenden Standard" etwa für tragbare Computer sieht Havel daher vorerst Brennstoffzellen. Viele Forschungseinrichtungen arbeiten daran, kleine und große Firmen versprechen in regelmäßigen Abständen, im nächsten Jahr sei es soweit mit der Marktreife.

Dabei ist die Technik bereits verfügbarer Batterien noch lange nicht ausgereizt. Sie lassen sich so flach bauen, dass sie mit ihren 0,4 Millimetern selbst auf einer Chipkarte nicht auftragen, wie Thomas Wöhrle vom deutschen Hersteller Varta zeigte. Das Geheimnis ist nicht nur die flache Bauweise, sondern auch die patentierte Verklebetechnik. Die sorgt dafür, dass man die Karte verbiegen kann, ohne dass sich die Batterie ablöst oder Risse bekommt. Die Industrie ist heute sogar in der Lage, Einwegbatterien oder aufladbare Zellen in nahezu jeder gewünschten Form herzustellen.

Aber es gibt Situationen, in denen Batterien fehl am Platz sind. Sensoren, die beispielsweise in den Produktionsstraßen der Industrie zu Tausenden platziert werden, um über Funk Messdaten zu senden, könnten nur mit riesigem Aufwand mit frischen Batterien bestückt werden. Oder aber gar nicht. Es gibt Messgeräte, die bei Brückenbauten in den Beton eingegossen werden, um ständig Daten beispielsweise über Stabilitätsprobleme zu liefern. Die für ihren Betrieb nötige Energie gewinnen sie für sich selbst, und zwar aus der Vibration des Bauwerks.

"Unten ist noch Platz"

Adam Wasenczuks Firma Perpetuum setzt auf solche Geräte und hat in dieser Nische offenbar auch Erfolg. Derzeit liefert das Spinoff der südenglischen Universität Southampton Hunderte der Geräte aus, die mit Stückpreisen von einigen Tausend Euro nicht gerade billig sind. Dennoch sei die Auftragslage mehr als zufriedenstellend. Neben Brückenbauern zählen zum Beispiel die Hersteller großer Motoren - etwa für Schiffe - zu den Kunden.

Mit den autarken Sensoren lassen sich die Ungetüme auf Fehlfunktionen überwachen, ohne dass Kabel verlegt oder Batterien ausgetauscht werden müssen. Potentielle Kundschaft kommt auch aus der Großindustrie, die Sensoren oft dort benötigt, wo man nicht hinkommt, in Rohren etwa oder in giftigen Umgebungen.

Eine andere Anwendung aber könnte schon bald den Massenmarkt erreichen. Sensoren, die den Reifendruck überwachen, sind seit diesem Jahr in den USA Pflicht bei Neuwagen. Und so wird aus einer Idee auf ungeahnte Weise ein Milliardengeschäft. Bis 2010 würden voraussichtlich 100 Millionen Sensoren verbaut, schätzt das Münchner Beratungsunternehmen Wicht Technology Consulting (WTC) und sieht darin eine Killeranwendung für Systeme, die ihre Energie selbst erzeugen. Denn bisher werden diese Sensoren zwischen Reifen und Felge platziert, um gegebenenfalls die Batterie wechseln zu können.

Die autarken Messfühler aber könnten direkt dort untergebracht werden, wo die Werte anfallen - im Reifen. 2012, glaubt Richard Dixon von WTC, könnten die ersten so ausgestatteten Reifen auf den Markt kommen, "zuerst natürlich im Luxussegment". In der Mittelklasse erwartet er die ersten intelligenten Räder um 2015. Die Chancen, dass sie sich durchsetzen, schätzt er hoch ein. Batterien seien derzeit das größte, schwerste und teuerste Bauteil der Sensoren, außerdem werde es zum Problem, die Abermilliarden gebrauchten Batterien zu entsorgen

Von solchen Aussichten ist der Massenmarkt der mobilen Geräte noch ein gutes Stück weiter entfernt, und das nicht nur, weil die Technik des Energie-Erntens noch zu teuer ist und noch nicht genügend Strom liefert. Es sieht auch ganz danach aus, dass die Laufzeiten, die marktübliche Geräte heute liefern, den meisten Nutzern reichen. Zumindestens sind sie, wie Jörg Wirtgen, Redakteur beim Computermagazin c't, zeigte, kein wichtiger Punkt bei der Auswahl eines Produkts.

"Das Problem der Batterielebensdauer bei Laptops ist eigentlich gelöst", es könnten problemlos Geräte mit zehn oder gar 20 Stunden Batterielaufzeit gebaut werden. Aber es gebe einfach nicht genügend Nachfrage dafür, der Anteil von "Langläufern" liege bei nur etwa zehn Prozent. Eine Chance für den Einsatz effizienter Energiespartechniken sieht Wirtgen bei kleinen Internet-Geräten, die man zum Surfen zwischendurch über das drahtlose Wlan-Netz benutzt. Und so könnte Richard Feynman, eine Art Guru der Miniaturisierung, doch noch recht behalten. "Unten", also am Anfang der Größenskala, hatte der schon 1959 prophezeit, "ist noch jede Menge Platz".

© SZ vom 29.11.2007/mcs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: