Sternenhimmel im Mai:Göttliches Gericht

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Am Firmament kann man in diesem Monat Zeichen der Waage erkennen. Auch Sternschnuppen lassen sich mit Glück beobachten.

Helmut Hornung

Zwölf Sternbilder zählt der Tierkreis. Alle sind sie nach lebenden Wesen benannt - mit Ausnahme der Waage. Und im Gegensatz zu vielen anderen Bildern lässt sich dieser nicht sehr auffälligen Konstellation, die wir jetzt am nächtlichen Südosthimmel finden, keine antike Sage zuordnen. Dennoch hat sie eine lange, wechselvolle Geschichte. Schon vor 4000 Jahren haben die Sumerer die Sterne in dieser Region als "Zib-Ba Anna", als "Himmelswaage" bezeichnet.

Der Sternenhimmel Anfang Mai 0.30 Uhr, Ende Mai 22.30 Uhr (Foto: Grafik: M. Rothe)

Zwei Jahrtausende später erinnerten sich die Römer an diese Idee. Bei ihnen galt die Waage als etwas Besonderes: Der Mond sollte bei der Gründung Roms in diesem Sternbild gestanden haben, und außerdem hielt sich die Sonne zum Zeitpunkt des Herbstanfangs darin auf. Daher sah der Schriftsteller Manilius das Bild als "Zeichen, in dem die Jahreszeiten im Gleichgewicht sind und die Stunden der Nacht und des Tages einander die Waage halten".

Trotz dieser pragmatischen Sichtweise erschien in den ersten Jahrhunderten nach Christi die eine oder andere Sternkarte mit geflügelten Wesen, die eine kleine Waage in Händen halten. Solche Darstellungen mögen auf Dike zurückgehen, die griechische Göttin der Gerechtigkeit. Möglicherweise spielte dabei der Jenseitsglaube der alten Ägypter eine Rolle, in deren Totenbüchern ein Waagenmann vorkommt.

In diesem Sinn wirkte der schakalköpfige Gott Anubis als Richter. Er überwachte den Ritus der Einbalsamierung und vollzog das Seelenabwägen: Auf die eine Waagschale legte er das Herz des Verstorbenen, auf die andere eine Straußenfeder, das Zeichen der Wahrheits- und Gerechtigkeitsgöttin Maat. Das Herz galt als Sitz der Seele. War es schwerer als die Feder, weil der Mensch zeit seines Lebens gesündigt hatte, wurde es von Ammit verschlungen. Die Seelenfresserin war ein ziemlich scheußliches Mischwesen aus Krokodil, Löwe und Nilpferd. Der hellste Stern der Waage heißt "Zuben-el-dschenubi" und "Zuben-el-schemali", was im Arabischen südliche und nördliche Schere bedeutet und darauf hinweist, dass die Waage von den Griechen als Teil des Sternbilds Skorpion angesehen wurde.

Der flinke Götterbote Merkur macht sich rar, allenfalls an den ersten beiden Maiabenden konnten ihn erfahrene Planetenjäger nach Sonnenuntergang knapp über dem Nordwesthorizont aufspüren.

Venus hingegen wächst immer besser in die Rolle des strahlenden Morgensterns; am 2. Mai leuchtete die Göttin der Liebe und der Schönheit in größtem Glanz. Am 21. Mai schaut die Sichel des abnehmenden Mondes bei der Venus vorbei. In dieser Gegend steht zur selben Zeit auch der Riesenplanet Jupiter, der schon vier Tage zuvor Besuch vom Erdtrabanten erhalten hatte. Ebenfalls am Morgenhimmel finden Spezialisten Ende Mai den Neptun im Steinbock. Mars und Uranus lassen sich nicht blicken. Saturn im Löwen hält als einziger Wandelstern den ganzen Monat über die Stellung am Abendhimmel.

Am 4. Mai erreichen die Eta-Aquariden ihr Maximum, bis zu 40 Sternschnuppen fallen stündlich vom Firmament - allerdings sind sie in südlichen Gefilden deutlich besser zu sehen als bei uns. Die kosmischen Bruchstücke stammen von dem berühmten Kometen Halley.

Um den 20.Mai herum legen sich Astronomen auf die Lauer nach dem Scorpius-Sagittarius-Schwarm. In diesem Monat sehen wir den Erdtrabanten gleich zweimal im Ersten Viertel: am 1. und am 31. Mai. der weitere Fahrplan: Vollmond am 9., Letztes Viertel am 17. und Neumond am 24. Mai.

© SZ vom 4.5.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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