Steinzeit:Eine uralte To-do-Liste?

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(Foto: Marijan Murat/dpa)

Forscher haben in einer Höhle auf der Schwäbischen Alb einen Mammutknochen mit seltsamen Ritzungen entdeckt. Die Kerben stammen von Menschenhand. Nun rätseln die Forscher, was die vielen Spuren wohl bedeutet haben. Es könnte sich um eine Art Liste gehandelt haben.

Von Hubert Filser

Tübinger Forscher haben in der Höhle "Hohle Fels" auf der Schwäbischen Alb einen 35 000 Jahre alten Mammutknochen mit zahlreichen Ritzungen entdeckt. Auf der schmalen Seite des knapp 50 Zentimeter langen und fünf Zentimeter breiten Rippenknochens finden sich zwei Reihen mit 83 und 90 Kerben. Die Markierungen, die Menschen einst mit einfachen Steinwerkzeugen in die schmale Oberkante der Rippe schnitten, haben unterschiedliche Querschnitte. Der Tübinger Urgeschichtler Nicholas Conard geht daher davon aus, dass diese wahrscheinlich nicht in einem Durchgang entstanden, sondern dass jemand etwas über einen gewissen Zeitraum "notierte". An ein paar Stellen liegen mehrere dünne Schnitte dicht nebeneinander, als hätte sich jemand verschnitten. Auf der breiteren Seite finden sich zudem 13 dünnere, deutlich längere Linien.

Die Vertiefungen sind sauber und gut erkennbar, die Menschen haben die Oberfläche des Knochens zuvor gereinigt, abgeschabt und geglättet. Es seien keine zufälligen Spuren, "sie wurden mit Sicherheit gezielt platziert", sagt Conard, "die Mammutrippe ist sehr wahrscheinlich ein Informationsträger". Vermutlich habe man damit etwas gezählt. "Aber es ist unbekannt, ob es um Jagdbeute, Menschen, Tage, Mondzyklen oder etwas anderes ging", so Conard, "eine Art von Kalender ist zwar naheliegend, aber die Zahlen 83, 90 und 13 ergeben kein klares System."

Möglicherweise wollten sich die Steinzeitmenschen auch bei komplizierten Arbeitsgängen merken, ob sie bestimmte Schritte schon gemacht hatten, und machten eine Kerbe, so wie wir heute Häkchen auf einer Liste machen. Auffällig findet Stefanie Kölbl vom Urgeschichtlichen Museum Blaubeuren, wo die Rippe ab sofort zu sehen ist, dass die beiden Linienreihen von 83 und 90 Strichen parallel zueinander liegen. "Vielleicht handelte es sich um eine Art Wettstreit zwischen zwei Gruppen, und jede Gruppe machte eine Kerbe, um zu sehen, wer mehr von etwas hat", so Kölbl.

Vergleichbare Funde aus der Altsteinzeit sind äußerst selten, und der Zweck solcher Ritzungen bleibt bisher überall ungeklärt. Manchmal nutzten Menschen große Knochen auch als Werkzeuge etwa zum Walken von Leder. Oft sind die fetthaltigen Knochen in der Eiszeit aber als Brennstoff verheizt worden.

© SZ vom 30.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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