Stammzellforschung:Verjüngungs-Kur

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Überraschungserfolg deutscher Forscher: Die Wissenschaftler haben mit Hilfe von Stammzellen Mäuse geheilt, die an Sichelzellanämie litten.

Christina Berndt

Die aufsehenerregende Wissenschaftsnachricht war kaum in der Welt, da wusste die Politik schon, was damit anzufangen sei.

So haben die Forscher die Mäuse behandelt. (Foto: Foto:)

Auf embryonale Stammzellen könne die Forschung "gut und gerne verzichten", wusste Winzertochter Julia Klöckner, für die CDU im Bundestag, aus den Erfolgen japanischer Wissenschaftler zu schließen. Diese hatten aus Hautzellen erwachsener Menschen mit gentechnischen Kniffen Zellen gemacht, die offenbar ebenso wandlungsfähig sind wie die bisher einzigartigen Stammzellen aus Embryonen (SZ, 21.11.). Durch den Einbau von vier Genen wurden die Hautzellen quasi einer Verjüngungskur unterzogen.

Und so lassen sie sich womöglich eines Tages anstelle der Embryozellen zur Behandlung von Krankheiten nutzen, bei denen Zellen zugrundegehen - Herzinfarkt, Parkinson und Diabetes gehören dazu. "Erfolgreiche Forschung ohne die ethisch umstrittenen embryonalen Stammzellen ist durchaus möglich", war sich sogleich auch Priska Hinz, forschungspolitische Sprecherin der Grünen, sicher.

Menschen, die sich besser mit Stammzellen auskennen, sind davon indes nicht überzeugt. "Wer den Schluss zieht, dass Forscher von nun an auf die embryonalen Stammzellen verzichten könnten, begeht einen schweren Denkfehler", sagt Hans Schöler, Direktor des Max-Planck-Instituts für molekulare Biomedizin. Und der in den USA forschende Deutsche Rudolf Jänisch ärgert sich sogar über "die Ignoranz dieser Leute": Die Verjüngung erwachsener Zellen sei ohne die Forschung an embryonalen Zellen undenkbar gewesen.

Gleichwohl präsentiert Jänisch am heutigen Freitag einen weiteren Überraschungserfolg, den findige Politiker wieder für ihre Zwecke nutzen können. Nur zwei Wochen nach dem aufsehenerregenden Bericht aus Japan kann der Biologe vom Whitehead-Institut beweisen: Die verjüngten Zellen, die in Fachkreisen auch iPS-Zellen heißen (für "induzierte pluripotente Stammzellen"), taugen tatsächlich zur Behandlung von Krankheiten.

Jänischs Team hat Mäuse geheilt, die an Sichelzellanämie litten - einer Erbkrankheit, bei der sich die roten Blutkörperchen verformen und vermehrt absterben ( Sciencexpress vom 6.12.).

"Prinzipiell funktioniert die Behandlung tatsächlich"

Jänischs Team verjüngte dazu Hautzellen aus der Schwanzspitze der kranken Mäuse. Dann tauschten die Forscher jenes Gen, das die Sichelzellanämie auslöst, gegen ein gesundes aus.

Die entstandenen Zellen wurden in der Kulturschale zu blutbildenden Zellen herangezogen und schließlich in die Mäuse zurückgespritzt. Zusehends verbesserten sich daraufhin die Symptome der Tiere: Ihr Blutbild normalisierte sich, sie nahmen zu und hechelten nicht mehr so stark, um ihr Blut mit Sauerstoff zu versorgen.

"Prinzipiell funktioniert die Behandlung mit iPS-Zellen also tatsächlich", freut sich Rudolf Jänisch. Diese Zellen würden "das Feld revolutionieren". Nicht nur, weil sie ethisch unbedenklich sind: Da die Zellen vom Patienten selbst stammen, werden sie zudem nicht abgestoßen. "Eines Tages könnte der Ansatz auch beim Menschen klappen", meint der Biologe. Als erstes werde dann wohl ebenfalls eine Krankheit von Blut oder Knochenmark behandelt. Solche Zellen seien am einfachsten zu ersetzen, weil sie sich nicht wie Herz- oder Nervenzellen in ein Gewebe einbauen müssten.

Noch ist der Ansatz allerdings keineswegs reif für die Behandlung kranker Menschen. Denn bisher werden für den Einbau der Verjüngungs-Gene Viren benutzt, die womöglich Krebs auslösen können. Auch handelt es sich bei manchen der Verjüngungs-Gene selbst um Krebsgene. "Das sind aber alles nur technische Fragen, die sich lösen lassen", ist Jänisch überzeugt. Sein Team hat bereits Schritte unternommen, um eines der Krebsgene unschädlich zu machen. Und tatsächlich haben Jänischs Mäuse bislang keine Tumore entwickelt - anders als die Tiere der japanischen Forscher.

Verformte Blutkörperchen - eine Folge der Sichelzellanämie. (Foto: Foto: oh)

"Dennoch sind die Zellen für Patienten noch längst nicht sicher genug", sagt Jänisch und warnt erneut davor, die Ergebnisse "politisch gegen die Forschung mit embryonalen Stammzellen zu missbrauchen". Zellen aus Embryonen seien "weiterhin nötig, um von ihnen zu lernen und die Erkenntnisse auf die Stammzellen von Erwachsenen zu übertragen", sagt auch Andreas Zeiher von der Universität Frankfurt, der Herzinfarktpatienten mit Stammzellen aus ihrem eigenen Beckenknochen behandelt.

Zur Forschung taugten aber nicht irgendwelche Embryozellen, betont Hans Schöler: "Man muss die neuen iPS-Zellen mit den besten embryonalen Stammzellen vergleichen, die es gibt." Die alten Stammzelllinien, die in Deutschland erlaubt seien, seien dazu nicht zu gebrauchen: "Das wäre, als hätte ich eine Mona Lisa gekauft und wollte nun anhand einer Briefmarke überprüfen, ob sie echt ist oder nicht."

© SZ vom 7.12.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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