Stammzellforschung:Neue Nerven aus der Haut

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US-Wissenschaftlern ist es gelungen, aus der Haut einer hochbetagten Patientin mit der Muskellähmung ALS neue Nervenzellen herzustellen.

Christina Berndt

Haut bleibt Haut. Glücklicherweise. Wunden wachsen mit Haut zu und nicht mit Leber-, Hirn- oder gar pulsierenden Herzzellen.

Sogenannte Tubulinstrukturen (grün) zeigen, dass in dieser Kultur neue Motorneuronen entstanden sind. (Foto: Foto: Rodolfa/Dimos/Harvard University)

Doch in der Haut steckt immer noch das Potential, all diese Zellen zu bilden. Man muss es nur hervorkitzeln. Das haben japanische Forscher vor kurzem in aufsehenerregenden Experimenten getan: Sie veränderten Hautzellen, sodass sie die Wandlungsfähigkeit embryonaler Stammzellen bekamen.

Biologen aus Harvard sind nun noch einen Schritt weiter gegangen. Sie haben solche Embryo-Zellen aus der Haut einer Patientin mit schwerer Krankheit gewonnen - die 82-Jährige leidet wie der Physiker Stephen Hawking an der Muskellähmung ALS ( Science online, 31. Juli).

Im Labor konnten die Forscher die Zellen dann in Nervenzellen umwandeln, die die Muskulatur durchziehen. Das sind genau jene Zellen, die bei ALS-Patienten absterben und so die Lähmungen hervorrufen. "Damit ist gezeigt, dass es grundsätzlich möglich ist, diese Zellen auch bei älteren und kranken Patienten zu gewinnen", sagt James Adjaye vom Max-Planck-Institut für molekulare Genetik.

Der Erfolg aus Harvard bedeutet allerdings nicht, dass Forscher nun Zellen in der Hand haben, mit denen sie versuchen können, die Patientin zu heilen. Denn die Umwandlung der Hautzellen in Embryo-ähnliche Zellen geht bisher auf brutale Weise vonstatten.

Vier Gene werden in die Zellen geschleust, darunter auch Krebsgene, die kein Patient haben möchte. Die Wissenschaft muss also erst Ersatz für diese Gene suchen - was nicht einfach ist, weil Embryonen und Krebsgeschwulste biologisch gesehen einige Gemeinsamkeiten haben.

Die Arbeit der Kollegen aus Harvard sei trotzdem ein großer Fortschritt, sagt Adjaye. Die Wissenschaftler könnten die ALS-Krankheit nun im Labor studieren und dort auch Medikamente testen. Adjaye plant ähnliche Versuche mit Zellen von Alzheimerpatienten. Alzheimer werde sich entgegen vielen Versprechungen kaum mit Embryo-ähnlichen Zellen behandeln lassen, sagt er. "Aber in der Kulturschale können uns die Patienten-Zellen viel verraten."

© SZ vom 01.08.2008/mcs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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