Stammzellforschung:Furcht vor dem Klon

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Bislang gehörte die Idee, ein Mensch könnte sich selbst als Klon zum Erben machen, in das Reich der Phantasie. Sind wir jetzt einen Schritt weiter auf dem Weg dorthin?

Markus C. Schulte von Drach

Die erste Meldung über einen geklonten Menschen stammt zwar bereits aus dem Jahre 1978. Doch der Bericht, den der Wissenschaftsjournalist David Rorvik in seinem Buch "Nach seinem Ebenbild" veröffentlichte, wurde sofort als Fälschung betrachtet. Immerhin dokumentierte das Werk eindringlich die ethische Debatte, die damals schon um das Klonen von Menschen geführt wurde.

Andrew French zeigt eine Aufnahme des menschlichen Klons im Stadium der Blastozyste. (Foto: Foto: Reuters, Stemagen)

Nun haben Andrew French und sein Team von der US-Firma Stemagen tatsächlich einen Klon-Embryo hergestellt - und zwar aus der Hautzelle eines Erwachsenen. Bereits zuvor war es Miodrag Stojkovic an der University of Newcastle upon Tyne gelungen, menschliche Klone herzustellen.

Der serbischstämmige Deutsche hatte allerdings das Erbgut embryonaler Stammzellen in entkernte Eizellen eingebracht. Die geklonten Embryos starben bald - und Stammzellen hatte Stojkovic ihnen nicht entnehmen können.

French und seine Kollegen haben nun den Schritt vollzogen, den Kritiker der Stammzellforschung besonders fürchten: Sie haben das Erbgut eines erwachsenen Mannes in die entkernte Eizelle einer Frau übertragen.

Es entstand mindestens ein Klon, der innerhalb von fünf Tagen das Entwicklungsstadium einer Blastozyste erreichte. Damit haben die US-Wissenschaftler mit Erfolg eine Technik an Menschen angewandt, die zum reproduktiven Klonen führen könnte, wie es sich der fiktive Millionär Max aus Rorviks Buch gewünscht hatte.

Embryos als Rohstoffquelle

Doch das reproduktive Klonen ist nicht nur ethisch heftig umstritten. Auch der Weg dorthin ist noch weit. Schließlich müsste sich ein solcher Embryo in der Gebärmutter einer Leihmutter einnisten und dort erfolgreich weiterentwickeln. Und es ist noch immer unklar, ob Klone, die mit dem "alten" Erbmaterial erwachsener Menschen hergestellt wurden, gesund wären.

Den Wissenschaftlern um French aber geht es nicht um das reproduktive Klonen. Sie betrachten die geklonten Embryos als Rohstoffquelle für Stammzellen - jene omnipotenten Zellen, aus denen sich verschiedene Gewebearten entwickeln und vielleicht sogar ganze Organe gezüchtet werden könnten. Soweit sind die Forscher von Stemagen mit ihren Klonen aber nicht gekommen.

Sollte es in Zukunft gelingen, so hoffen manche Mediziner, ließen sich für Patienten gezielt Ersatzgewebe oder -organe herstellen, welche von ihrem Immunsystem nicht abgestoßen würden.

Doch auch hier gibt es große ethische Bedenken. Unabhängig davon, ob die notwendigen Embryos nun als überzähliger Nachwuchs bei der künstlichen Befruchtung anfallen oder gezielt hergestellt werden - um die Stammzellen zu gewinnen, werden sie zerstört.

Ist aber nun ein wenige Tage alter Embryo bereits ein kleiner Mensch? Ist er lediglich ein Zellbündel ohne menschliche Eigenschaften? Sollte die Blastozyste geschützt werden, weil sie zumindest das Potential hat, sich zu einem Menschen zu entwickeln?

Zwar haben Forscher um Robert Lanza vom US-Unternehmen Advanced Cell Technology (ACT) kürzlich gezeigt, dass Stammzellen einem Embryo auch entnommen werden können, ohne diesen zu zerstören. Bleibt aber die Frage, was mit dem Embryo danach geschehen soll.

In Deutschland verboten

Weil Teile der Gesellschaft alle diese Fragen unterschiedlich beantworten, ist der Umgang mit der embryonalen Stammzellforschung weltweit verschieden. In den USA und Großbritannien, wo French und Stojkovic ihre Klone produzierten, waren ihre Versuche legal.

In Deutschland aber ist das Klonen von Menschen - unabhängig davon, ob es sich um reproduktives oder therapeutisches Klonen handelt - verboten. Forscher dürfen hier nur mit embryonalen Stammzellen arbeiten, die vor einem bestimmten Stichtag hergestellt wurden, damit zumindest keine neuen Embryos zu Forschungszwecken zerstört werden.

An der Einschätzung deutscher Politiker ändern auch die Neuigkeiten aus den USA nichts. "Das therapeutische Klonen ist in Deutschland nicht erlaubt und dies bleibt auch so", heißt es aus dem Bundesforschungsministerium von Annette Schavan (CDU).

"Das Klonen von Menschen ist ein Horrorszenario", erklärte der SPD-Bioethikexperte Wolfgang Wodarg der Berliner Zeitung. Und der SPD-Bundestagsabgeordnete René Röspel spricht in der Frankfurter Rundschau von einer "unverantwortlichen Grenzüberschreitung" der Amerikaner.

Jetzt könnten "jene Irren, die unbedingt geklonte Menschen herstellen wollen, auf diese verfeinerte Technologie zurückgreifen". Ein komplettes Klonverbot sei wahrscheinlich nicht durchzusetzen. Deshalb sei es besonders wichtig, zumindest das reproduktive Klonen schleunigst international zu ächten."

Kritiker der Klonversuche verweisen auf das Potential der ethisch nicht umstrittenen Stammzellen von Erwachsenen - den adulten Stammzellen - hin und auf die Erfolge von Shinya Yamanaka und seinem Team von der Universität Kyoto sowie den Forschern um James Thomson von der University of Wisconsin.

Beiden Arbeitsgruppen ist es gelungen, Gene in menschliche Hautzellen einzuschleusen, die diesen die Fähigkeit geben, sich in nahezu jedes beliebige Gewebe des Körpers zu verwandeln.

Die US-Forscher um Andrew French ficht die Kritik der Klon-Gegner nicht an. Er rechne mit einem Durchbruch in der Klonforschung in den nächsten sechs bis zwölf Monaten, erklärte French der Berliner Zeitung. In dieser Zeit würden sie aus den geklonten Embryonen auch Stammzellen gewinnen.

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