Sicherheit in der Wissenschaft:Passt mal schön auf

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Killerroboter, tödliche Viren, Datenklau: Die Wissenschaft will heikle Forschung durch einen Appell an die eigene Verantwortung regulieren.

Von Kathrin Zinkant

Nach zwei Jahren intensiver Beratungen haben die Nationalakademie Leopoldina und die Deutsche Forschungsgemeinschaft in Berlin erläutert, wie sicherheitsrelevante Forschung in Deutschland reguliert werden soll. Die verantwortliche Arbeitsgruppe empfahl am Donnerstag, Universitäten und Institute sollten jeweils eine "Kommission für die Ethik der Forschung (KEF)" einrichten. Das Gremium solle auf Anfrage von Forschern Empfehlungen zu einzelnen Projekten aussprechen. Die Maßnahmen bleiben jedoch freiwillig. Weder müssen die Einrichtungen eine KEF installieren, noch sind Forscher an deren Empfehlungen gebunden. Es besteht auch keine Pflicht, sensible Vorhaben prüfen zu lassen. Damit setzt die deutsche Forschung beim hochsensiblen Thema des Dual Use of Concern (DURC) auf Selbstregulation und -verantwortung der Wissenschaft. Das Stichwort DURC umfasst Forschungsvorhaben, Technologien, aber auch Forschungsprodukte, die sich einerseits zum gesellschaftlichen Vorteil einsetzen lassen. Andererseits sind diese Technologien auch potenziell waffentauglich oder extrem gefährdend für das Leben oder die Grundrechte vieler Menschen. Es geht also nicht um Risiken wie die Nebenwirkung eines Medikaments, sondern um möglichen, absichtlichen Missbrauch oder katastrophale Unfälle. Betroffen sind vor allem die Lebenswissenschaften, insbesondere die Forschung an Krankheitserregern.

Die Arbeitsgruppe der DFG und Leopoldina war im Nachhall eines international geführten Streits um zwei Experimente mit Influenza-Erregern eingesetzt worden. Die Forscher hatten 2012 veröffentlicht, wie sich normale Grippeviren in hochansteckende Killerkeime verwandeln lassen. Begründet hatten die Wissenschaftler ihre Arbeit mit dem Erkenntnisgewinn: Nur solche Versuche könnten zeigen, wie Pandemie-Viren in der Natur entstehen. Die Debatte entzündete sich an der Möglichkeit, dass solche Viren auch von terroristischen Organisationen oder für militärische Zwecke eingesetzt werden könnten.

Um solche Risiken ausschalten zu können, fordert die Arbeitsgruppe nun eine "Bewusstseinsbildung" unter Forschern. Sie sollen selbst erkennen, wenn ihre Arbeit unter die Kriterien des Dual Use of Concern fällt. Die Darmstädter Biologin Kathryn Nixdorff betonte in Berlin, dass viele Wissenschaftler die Folgen ihrer Arbeit noch nicht reflektierten. Der Hamburger Rechtsphilosoph Reinhard Merkel illustrierte am Beispiel militärischer Forschung, sicherheitsrelevante Aspekte seien nicht einfach zu erkennen. "Wenn wir davon ausgehen, dass neue Waffen normgerecht, also im Einklang mit dem Völkerrecht eingesetzt werden, handelt es sich noch nicht um Dual Use of Concern - obwohl viele Menschen zu Schaden kommen." Entscheidend sei ein anderer Punkt: "Waffen können in falsche Hände geraten." Die Leiterin der Arbeitsgruppe, die Mikrobiologin Bärbel Friedrich, sprach von einem Regulierungsprozess, der sich nun erst entwickeln werde. Und jetzt erst beginnen könne: "Wir wissen noch gar nicht, wie viele und welche Projekte zum Dual Use of Concern gehören", sagt Friedrich. Beispiele aus der Biotechnologie stünden zwar im Zentrum, aber ein DURC sei auch in den Informationswissenschaften oder auf anderen Gebieten möglich. Es werde sich anhand der Erfahrungen zeigen, ob die Selbstverantwortung der Forschung - wie Friedrich hofft - für die Regulierung von sicherheitsrelevanter Forschung ausreicht. Oder ob doch noch eine gesetzliche Regelung nötig werde.

© SZ vom 15.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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