Seuchen-Simulation:Höchste Ansteckungsgefahr

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Wenn nur 40 Menschen in einer Großstadt infiziert sind, müssen - einer Studie zufolge - Millionen sterben.

Christina Berndt

In der Flut der bedrohlichen Grippe-Nachrichten hat Neil Ferguson einmal gute Neuigkeiten. "Die Gefahr ließe sich bannen", ist der Epidemiologe vom Imperial College London überzeugt. "Aber das Leben der Menschen müsste sich dramatisch ändern, sobald es die ersten Infizierten gibt.

Wenn erst einmal 40 Menschen in einer Großstadt krank sind, ist die Seuche kaum noch aufzuhalten." Dann müssten Millionen sterben, rechnete der Forscher vor kurzem im Fachblatt Nature vor.

Ferguson kennt sich nicht nur mit Infektionskrankheiten aus, sondern auch mit Computern. So hat er seine Rechner mit den verschiedensten Daten gefüttert, die über frühere Grippe-Pandemien zu haben waren und den Verlauf eines neuen Seuchenzugs am Beispiel Thailand simuliert.

Sein Fazit: "Eine Maßnahme allein ist gegen die Influenza machtlos, helfen kann nur eine Mischung mehrerer Strategien."

Wenig erfreulicher Plan

Der Plan des Briten klingt wenig erfreulich. Schon wenn die ersten Fälle auftreten, müssten die Infizierten und ihre Angehörigen isoliert werden. Es gäbe keine Pop-Konzerte mehr und keine Fußballspiele, alle Schulen und großen Betriebe würden geschlossen. Reisen wären sowieso tabu.

Wenn dann noch genügend Grippe-Arzneien verfügbar wären - allein in Südostasien für drei Millionen Menschen - ließe sich das Influenza-Virus womöglich unter Kontrolle bringen.

"Ohne den entsprechenden politischen Willen geht es aber nicht", betont Ferguson. Sobald sich 500 Menschen auf dem Land infiziert haben, wird das Virus auch die Hauptstadt Bangkok erreichen. Und vom dortigen Flughafen könnte es seinen Zug um die Welt mit Jet-Geschwindigkeit fortsetzen. "Zu diesem Zeitpunkt gäbe es dann nur noch eine kleine Chance, die Grippe zu stoppen", sagt Ferguson.

Es müssten aber schon beim Auftreten der ersten zehn Krankheitsfälle in der Großstadt "alle Alarmglocken läuten". Das immerhin dürfte einfacher sein, als die frischen Fälle auf dem Land zu erkennen.

Denn gerade in der Nähe von Geflügelfarmen treten schon seit Jahren immer wieder Fälle von Influenza unter Menschen auf. Eine Ansteckung von Mensch zu Mensch fällt dort weniger auf als in der Stadt, wo Kontakt zum Federvieh seltener ist.

Allerdings gilt die Hoffnung auf einen schnellen Sieg gegen die Grippe nur unter einer Voraussetzung. Der Erreger darf nicht noch ansteckender sein als die bisherigen größten Killer in der Geschichte der Influenza.

Das Virus dürfte binnen drei Tagen von einem Infizierten im Durchschnitt höchstens auf 1,5 weitere Menschen überspringen. Wenn sich ein deutlich aggressiveres Exemplar entwickelt, helfen selbst die drastischsten Maßnahmenkataloge nichts mehr.

© SZ vom 12.8.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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