Schwedisches Kernkraftwerk:Neue Panne in Forsmark

Lesezeit: 2 min

Offenbar ist aus dem Kernreaktor jahrelang deutlich mehr Radioaktivität entwichen, als vom Betreiber angegeben.

Gunnar Herrmann

Der Kernreaktor im schwedischen Forsmark ist erneut wegen einer Panne in die Schlagzeilen geraten.

Forsmark (Foto: Foto: dpa)

Einem Bericht des schwedischen Rundfunks zufolge soll jahrelang deutlich mehr Radioaktivität aus der Anlage entwichen sein, als vom Betreiber angegeben.

Die zulässigen Grenzwerte sind zwar dem nationalen Strahlenschutzinstitut zufolge nicht überschritten worden, ein Vertreter der Aufsichtsbehörde nannte den Vorfall aber "beunruhigend". Besonders schwerwiegend sei der Umstand, dass der vermehrte Austritt von Radioaktivität knapp drei Jahre lang unbemerkt blieb.

Bei den ausgetretenen Substanzen handelt es sich vor allem um Cäsium-137 und Strontium-90. Dem Strahlenschutzinstitut zufolge ist es unvermeidbar, dass aus einem Kernreaktor geringe Mengen dieser Stoffe austreten.

Allerdings soll eigentlich durch ständige Messung genau kontrolliert werden, dass die zulässigen Grenzwerte nicht überschritten werden, unter anderem um das Personal vor übermäßiger Strahlenbelastung zu schützen.

Dieses Messsystem hat offenbar in Forsmark in den vergangenen Jahren nicht richtig funktioniert. Wegen eines falsch montierten Filters war ein Leck entstanden, so dass ein Teil der radioaktiven Partikel entweichen konnte, ohne von den Kontrollinstrumenten erfasst zu werden.

Im Kraftwerk Forsmark etwa 150 Kilometer nördlich von Stockholm hatte im Juli 2006 ein Kurzschluss Teile der Notstromversorgung lahmgelegt. Der Zwischenfall erregte damals international Aufsehen, er gilt als bislang schwerster in der Geschichte der schwedischen Kernkraftwerke. Seitdem sind in der Anlage immer wieder Pannen bekanntgeworden.

Große Unruhe rief kürzlich ein interner Bericht der Betreibergesellschaft hervor, demzufolge der Unfall im Sommer 2006 nur Höhepunkt einer ganzen Reihe von Ereignissen war. In dem Bericht wird der "Verfall der Sicherheitskultur" bemängelt, die wirtschaftlichen Zwängen geopfert worden sei.

Seit Anfang dieses Monats steht wieder einer der drei Blöcke in Forsmark still, weil eine Gummidichtung an der Reaktorwand defekt ist.

Auch dieser Mangel war erst nach Monaten entdeckt worden, obwohl die Routinekontrolle der Dichtung bereits im vergangenen Jahr stattgefunden hatte. Forsmark-Haupteigentümer Vattenfall hatte daraufhin den Chef des Kraftwerks entlassen.

Am Mittwoch verboten die schwedischen Behörden den geplanten Neustart eines zweiten Reaktorblocks, der zur Prüfung der Dichtung heruntergefahren worden war.

In Schweden nähren die andauernden Pannen und Schlampereien mittlerweile Zweifel an der Zuverlässigkeit der Atomindustrie und der staatlichen Kontrolle. Bislang hielten die Schweden ihre Kernkraftwerke eigentlich für besonders sicher.

Vor allem Forsmark hatte einen guten Ruf - schließlich waren es Techniker dieses Kraftwerkes, die 1986 wegen erhöhter Strahlenwerte Alarm schlugen und damit als erste die Katastrophe von Tschernobyl aufdeckten.

Die Mitarbeiter in Forsmark galten seitdem als überaus gründlich. Von diesem Ruf ist nun nicht mehr viel übrig. In der vergangenen Woche kündigte die Regierung an, die Internationale Atomenergiebehörde IAEA um Hilfe zu bitten, weil die eigene Aufsicht nach den Pannen in der Bevölkerung viel Vertrauen verloren hat. Die internationalen Experten sollen Forsmark untersuchen.

© SZ vom 15.2.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: