Röteln, Mumps und Masern:Gewagte Impfkampagne

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Das Gesundheitsministeriums in NRW wirbt mit drastischen Plakaten für Impfungen. Die Motive sollen "wachrütteln".

Nina von Hardenberg

Der Mann auf dem Plakat schaut dem Betrachter direkt in die Augen. Mit seinen markanten Gesichtszügen und dem Dreitagebart könnte er für irgendein Parfüm werben, doch sein flackernder Blick zeigt, dass er ein dringlicheres Anliegen hat.

(Foto: Foto: Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales, NRW)

"Peter, 29, unfruchtbar durch Mumps", steht in großen Buchstaben unter seinem Porträt. Das Plakat ist Teil einer gewagten Kampagne, die in diesen Tagen in Nordrhein-Westfalen anläuft. Mit Fotos und Sprüchen wie "Daniel, 12, geistig behindert durch Masern" und "Lisa, 9, blind durch Röteln", sollen Menschen dazu bewegt werden, sich impfen zu lassen. "Die Werbung soll wachrütteln", erklärt ein Sprecher des Gesundheitsministeriums in NRW.

In Deutschland sind immer noch viel zu wenig Menschen geimpft. Darauf hat auch Gesundheitsministerin Ulla Schmidt hingewiesen. "Wir wollen bei Kindern eine Impfquote von 95 Prozent erreichen", sagte sie anlässlich des Starts der Impf-Kampagne in NRW. Davon aber ist Deutschland zumindest bei der Infektionskrankheit Masern weit entfernt, wie eine Studie des Robert-Koch-Instituts (RKI) in Berlin zeigt.

"Zwar sind fast 94 Prozent der Kinder und Jugendlichen einmal gegen Masern geimpft. Doch nur 74 Prozent haben die notwendige Zweitimpfung erhalten", heißt es in dem Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS).

Die Masern brechen immer wieder aus. In diesem Jahr ist besonders der Süden betroffen: Von den bis Ende August registrierten 879 Fällen traten nach Angaben des RKI 672 in Bayern und Baden-Württemberg auf. Die meisten Kranken überstehen die Masern, die mit hohem Fieber und Pusteln einhergehen, ohne bleibende Schäden.

Doch jedes Jahr sterben einigen Menschen an Folgekrankheiten wie einer Hirnhautentzündung. "Masern sind hochansteckend und alles andere als harmlos", warnt Günter Schmolz, Chef des Landesgesundheitsamtes Baden-Württemberg. In Freiburg sah sich eine Schule im April deshalb zu drastischen Mitteln veranlasst. Sie ließ nur noch solche Schüler zum Unterricht zu, die beweisen konnten, dass sie gegen das Virus immun waren. "Das hat gut gewirkt", sagt ein Sprecher des Landratsamts. Die Impfquote sei auf 98 Prozent hochgeschnellt.

Solche radikalen Regeln kennt man sonst nur aus den USA. Dort gilt das Motto: "No shot, no school" - ohne Impfung keine Schule. "Die Amerikaner haben es damit fast geschafft, die Masern auszurotten", sagt Susanne Glasemacher vom RKI anerkennend. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat sich zum Ziel gesteckt, Masern bis 2010 weltweit auszurotten.

Deutschland kann da nicht mithalten. Trotzdem hält Glasemacher nichts von einer Impfpflicht. "Wir setzten auf Aufklärung", sagt sie. Diese solle sowohl in Regionen mit generell niedriger Impfquote ansetzen als auch bei bestimmten Altersgruppen, die etwa bei Masern die zweite Impfung verpassen und somit keinen vollen Schutz haben.

Wie wichtig gerade diese zweite Impfung ist, hat NRW 2006 zu spüren bekommen. In dem Jahr erlebte das Bundesland einen besonders heftigen Masernausbruch, bei dem 1749 Menschen erkrankten. Die 10- bis 18-Jährigen waren besonders häufig betroffen. Diese Jugendlichen hätten im Alter von fünf Jahren eine Auffrischungsimpfung für Masern erhalten sollen, was aber von den Eltern häufig vergessen wird. Um diese Impf-Lücke zu schließen, bietet das Bundesland jetzt zusätzliche Impfungen in den Schulen an.

© SZ vom 04.09.2008/mcs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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