Religiöser Eifer:Verwöhnte Extremisten

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Nur äußerst wenige Muslime befürworten Gewalt oder sogar Terrorismus. Aber wenn, dann sind sie überraschend oft jung, vermögend und gebildet. Wie kann das sein?

Die gute Nachricht: Nur wenige der in Großbritannien lebenden Muslime - nämlich 2,4 Prozent - befürworten gewalttätige Proteste oder gar Terrorismus. Immerhin weitere sechs Prozent stehen Letzterem neutral gegenüber, ohne ihn ausdrücklich zu verdammen. Die überraschende Nachricht: Zur kleinen Minderheit der Befürworter gehören vor allem die Jungen unter 20 Jahren, die gerade eine Vollzeit-Ausbildung absolvieren, Vermögende mit mehr als 75 000 Pfund (circa 90 000 Euro) Jahreseinkommen sowie Menschen, die im Land geboren wurden und sogar zu Hause Englisch sprechen.

Religiöse Praxis, Gesundheitsprobleme, Diskriminierung und politisches Engagement hingegen scheinen nicht zu terroristischen Sympathien zu führen. So lauten die Ergebnisse einer repräsentativen Befragung, die ein Team um den Psychiater Kamaldeep Bhui von der Queen Mary University in London unter 600 muslimischen Männern und Frauen im Alter von 16 bis 45 Jahren in London und Bradford durchführte ( PLoS One, Bd.9, S. e90718, 2014).

Prävention ist besser

Die Studienautoren folgern, dass man einige Klischees über die Radikalisierung von Menschen infrage stellen sollte. Auch eine gute Integration in die Gesellschaft schütze nicht immer vor dem Sog des Terrorismus. Ausdrücklich verweisen Bhui und Kollegen auf Ereignisse wie beim Boston Marathon 2013, als zwei gut integrierte Brüder tschetschenischer Abstammung einen Sprengstoffanschlag auf die Läufer verübten. Drei Menschen starben, 264 wurden verletzt. Auch die Mörder des Soldaten Lee Rigby waren in Großbritannien geborene, junge Studenten aus christlichen Familien, die später zu einem fundamentalistischen Islam konvertierten. Sie metzelten Rigby auf offener Straße mit Messer und Fleischerbeil nieder.

Bleibt die Frage nach der Zuverlässigkeit der neuen Daten. Antworten Menschen tatsächlich aufrichtig, wenn ein Interviewer an der Tür klopft und fragt, ob sie Selbstmordattentate eher gut oder schlecht finden? Insgesamt 16 solcher Fragen zur Akzeptanz von Gewalt wurden den Studienteilnehmern gestellt. Andererseits: Wieso sollten integrierte, vermögende und gebildete Muslime bei solchen Themen offener antworten als solche mit weniger Sprachkenntnissen und Bildung?

Wahrscheinlicher ist, dass es über die ganze Studiengruppe hinweg eine höhere Dunkelziffer bei den terroristischen Sympathien gibt. Doch auch in diesem Falle hätten die Autoren mit ihrer Schlussfolgerung recht: Statt immer mehr Geld in die aktuelle Terrorbekämpfung zu stecken, sollte sich der Staat auch um Prävention kümmern. Es müssten jene Menschen erreicht werden, die erst noch zu Terroristen werden könnten.

© SZ vom 20.03.2014/cwb - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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