Raumfahrt privat:Knall und Rauch

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Private Raketentüftler haben sich am Wochenende einen verlustreichen Wettkampf geliefert - es ging um ein Nasa-Preisgeld von mehr als einer Million Dollar.

Alexander Stirn

Sieben Sekunden fehlten John Carmack, um Raumfahrtgeschichte zu schreiben. Sieben Sekunden trennten ihn von 350.000 Dollar Preisgeld. Sieben Sekunden hätte seine Mondlandefähre noch in der Luft bleiben müssen, dann wäre Cormack der große Sieger gewesen.

Mehr als eine Million Dollar Preisgeld hat die Nasa für private Raketenbauer ausgelobt, deren Mondlandefähren vorgegebene Parcours bewältigen. (Foto: Foto: AP)

Doch kurz vor dem Ziel explodierte der Raketenmotor seines selbstgebauten Raumfahrzeugs. Nur eine Notlandung verhinderte Schlimmeres.

Der Fehlschlag hatte ein großes Publikum. 85.000 Luft- und Raumfahrtfans waren am Wochenende auf die Holloman Air Force Base im US-Bundesstaat New Mexico gekommen, um die "Lunar Lander Challenge" zu sehen.

Zwei Millionen Dollar an Prämien hatte die Raumfahrtbehörde Nasa ausgelobt, für private Tüftler, die beweisen können, dass Raumfahrt längst nicht mehr nur eine Domäne großer staatlicher Organisationen ist. Das Geld bekommt, wer als erstes mit dem Prototyp einer unbemannten Mondlandefähre einen vorgegebenen Parcours bewältigt.

Auch wenn Carmack und Kollegen es dieses Mal nicht geschafft haben: Der Wettbewerb zeigte, dass private Unternehmen mit vergleichsweise kleinem Budget und großem Engagement nicht mehr weit davon entfernt sind, in den Weltraum vorzudringen.

"Die Chancen, dass wir es schaffen, liegen bei 90 Prozent", hatte Carmack noch vor dem Wettbewerb am Wochenende gesagt. Im Training hatte sein Team Armadillo Aerospace bereits erfolgreich den ersten Teil des vorgeschriebenen Parcours' zurückgelegt.

Dabei muss die Landefähre aus eigener Kraft 50 Meter senkrecht in den Himmel steigen, sich 100 Meter horizontal bewegen und nach mindestens 90 Sekunden sicher auf einer Betonplattform landen. Anschließend galt es, dieselbe Strecke zurückzufliegen. Wer das als erster im Wettbewerb schafft, bekommt 350.000 Dollar. Im weitaus schwierigeren, mit einer Million Dollar dotierten zweiten Teil des Wettbewerbs müssen die Fähren doppelt so lange in der Luft bleiben und auf einer simulierten Mondoberfläche landen - Krater und Felsbrocken inklusive.

Zehn Meter hohe Flammen

Dass sich auch bei Raketenbauern Training und Wettkampf grundlegend unterscheiden, musste am Wochenende nicht nur Carmack erkennen. Von den neun Teams, die sich auf die "Lunar Lander Challenge" vorbereitet hatten, brachten nur die Texaner ihr Raumfahrzeug überhaupt in die Luft. Und auch die hatten während ihrer vier Flüge mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen:

Beim ersten Versuch tat sich gar nichts, der Zünder des Raketenmotors versagte. Beim zweiten Mal klappte immerhin der Hinflug. Während des Auftankens bemerkten die Armadillo-Ingenieure, dass der Zünder schon wieder verstopft war. Mit einer aufgebogenen Büroklammer wurde das Problem notdürftig behoben.

"Vermutlich floss dadurch zu viel Treibstoff in die Brennkammer", sagte Carmack einem Reporter des Magazins Wired. Jedenfalls hob die Fähre mit einem lauten Knall ab, flog anschließend 83 Sekunden lang, bevor der Antrieb direkt über der Landeplattform aussetzte. In einer Wolke aus Staub und Qualm endete der Traum vom großen Preisgeld.

Auch am Sonntag, beim dritten Versuch, gelang nur der Hinflug. Als die Fähre zurück zur Basis starten wollte, floss wieder zu viel Benzin ins Triebwerk, das Aggregat ging in Flammen auf. Und der letzte Start mit einem neuen, leistungsfähigeren Motor endete im Desaster: Bei der Explosion der Fähre schossen, wie Augenzeugen berichten, bis zu zehn Meter hohe Flammen in den Himmel. "Heute war ganz offiziell ein schlechter Tag", sagte Carmack nach dem ungeplanten Pyrozauber.

Für den 37-Jährigen, der sein Geld mit der Programmierung erfolgreicher Computerspiele wie "Doom" und "Quake" verdient hat, ist es nicht der erste Rückschlag. Bereits vor drei Jahren beteiligte sich Carmack mit Armadillo Aerospace am "X-Prize", einem 10-Millionen-Dollar-Wettrennen um den ersten bemannten Privat-Flug an die Grenze des Weltalls.

Damals gewann die Konkurrenz mit dem Space Ship One. In der Folge wurde eine ganze Reihe weiterer Preise für private Raketenfreunde ausgelobt: So will Google demjenigen, der als erster eine private Sonde auf dem Mond landet, 500 Meter weit fährt und Videos zu Erde überträgt, 20 Millionen Dollar überreichen. Und die Nasa unterstützt mit ihren "Centennial Challenges" nicht nur private Mondlandefähren, sondern auch fliegende Alternativen zum Auto und Aufzüge ins Weltall - mit dem Ziel "fernab der traditionellen Strukturen Innovation und Wettbewerb bei der Erkundung des Weltalls" zu fördern.

Sekunden bis zum Preisgeld von 500.000 Dollar

Dass das Früchte trägt, haben vor einer Woche die "Space Elevator Games" gezeigt, bei denen Konzepte für einen Aufzug ins Weltall erprobt wurden. Der kosmische Fahrstuhl könnte eines Tages Lasten an einem langen, von der Erdoberfläche ins All gespannten Seil in den Weltraum befördern - und das deutlich billiger als heutige Trägerraketen. Eine Aufgabe des Nasa-Wettbewerbs war es, eine Transportplattform entlang eines Kabels mit einem starken Laserstrahl in die Höhe zu bugsieren.

Ein Team der kanadischen Universität Saskatchewan legte die etwa 100 Meter lange Strecke in 54 Sekunden zurück. Um das Preisgeld von 500.000 Dollar einzustecken, fehlten nur wenige Sekunden. Nächstes Jahr wollen es die Teams wieder versuchen.

Auch die Teilnehmer des Mondlande-Wettbewerbs sind nicht entmutigt. Die zwei Millionen Dollar Preisgeld warten noch bis 2010 auf die erste erfolgreiche Landefähre, dann will die Nasa Ergebnisse sehen. Dass es so lange dauern wird, glauben die Verantwortlichen nicht. Becky Ramsey, eine der Organisatorinnen des Preises, sagte dem britischen Wissenschaftsmagazin New Scientist, "die Teams brauchen nur noch ein klein wenig Zeit, dann werden wir nächstes Jahr ein heißes Rennen sehen."

© SZ vom 30.10.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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