Psychologie:Virale Strohfeuer

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2014 filmten sich 28 Millionen Menschen weltweit dabei, wie sie sich eisiges Wasser über den Kopf kippten und Spenden für einen Zweck zusagten. Dann verpuffte die Bewegung. Warum?

Von Berit Uhlmann

Die Ice Bucket Challenge gilt als eine der erfolgreichsten viralen Kampagnen. 2014 filmten sich Menschen weltweit dabei, wie sie sich eisiges Wasser über den Kopf kippten, Spenden für die Erforschung der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS) zusagten und weitere Mitglieder ihres sozialen Netzes zur Nachahmung aufforderten. Am Ende hatten mehr als 28 Millionen Menschen die Herausforderung angenommen und 115 Millionen Dollar gespendet. Dann versiegten Wasser- und Geldfluss. Bei der Neuauflage der Ice Bucket Challenge im Jahr 2015 kam nicht einmal ein Prozent der Vorjahres-Einnahmen zusammen.

Warum Aktionen wie diese so schnell verpuffen, versucht der Psychologe Sander van der Linden von der britischen Universität Cambridge zu erklären ( Nature Human Behaviour, online). Seiner Einschätzung nach misslingt der nachhaltige Transfer vom Klick-Aktionismus in die reale Welt so oft, weil die Kampagnen nur auf jene oberflächliche Motivation setzen, die Psychologen extrinsisch nennen. Da geht es etwa darum, eine Herausforderung anzunehmen, einen Wettbewerb zu gewinnen oder zu einer Million Seitenaufrufen beizutragen. Das Gegenstück ist die intrinsische Motivation, bei der Menschen aus inneren Überzeugungen für eine Sache handeln. Bei den Teilnehmern der Eiskübel-Aktion schien diese in weiten Teilen zu fehlen. Jeder vierte präsentierte seinen nassen Oberkörper, ohne das Anliegen auch nur zu erwähnen. Lediglich 20 Prozent sagten im Video auch eine Spende zu.

Mehr Erfolg versprechen dem Psychologen zufolge wiederkehrende Aktionen, die es den Teilnehmern ermöglichen, sich als Teil einer sozialen Bewegung zu begreifen. Als Beispiel nennt er die "Movember"-Aktion, bei der Männer jeden November auf die Rasur verzichten und Geld für Anliegen der Männergesundheit spenden. Die Bewegung startete 2003 mit 30 Teilnehmern und einem Aufkommen von etwa 39 000 Euro. 2014 spendeten fünf Millionen Mitglieder umgerechnet etwa 98 Millionen Euro.

© SZ vom 14.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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