Psychologie:Unschuldiger Trotz

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Brauchen Sie noch eine Rechtfertigung dafür, dass Sie immer wieder das Gegenteil von dem tun, was man von Ihnen will? Hier ist eine. Wissenschaftlich belegt.

Markus C. Schulte von Drach

Warum spüle ich nach dem Abendessen regelmäßig nicht ab, trotz der wiederholten Bitten meiner Frau?

Und warum liefere ich diesen Artikel nicht um zwölf Uhr ab, sondern erst viel später - obwohl mein Chef mich doch eindringlich gebeten hat, möglichst schnell fertig zu werden?

Entschuldigung - aber ich kann gar nichts dafür. Und um diesem Vorwürfen gleich vorzubeugen - es handelt sich nicht um Trotz.

Wie eine Studie von Wissenschaftlern der Duke University in Durham zeigt, handle ich den Bitten der anderen völlig unbewusst zuwider - vermutlich weil ich das Gefühl habe, diese Wünsche bedrohen meine Autonomie.

Initiiert hat die Untersuchung Tanya L. Chartrand, die sich nicht erklären konnte, warum ihr Ehemann die Wünsche seiner geliebten Frau, er solle im Haushalt helfen, immer wieder zu ignorieren scheint.

"Mein Mann", so berichtet Chartrand, "hat eine ärgerliche Tendenz, häufig genau das Gegenteil von dem zu tun, worum ich ihn bitte".

Probleme im Forscher-Haushalt

Immerhin fand sich ihr Partner Gavan J. Fitzsimons dazu bereit, bei der Studie zu helfen - schließlich ist auch er Professor an der Duke University, und ebenfalls Psychologe.

Vermutlich, so dachten die Wissenschaftler, spielen hier unbewusste Faktoren eine Rolle. Denn dass Fitzsimons faul oder ignorant ist, wollte das Ehepaar nicht gleich unterstellen.

Um ihren Verdacht zu überprüfen, unternahm das Psychologen-Pärchen eine Reihe von Experimenten.

Bei ihrem ersten Versuch wurden die Teilnehmer gebeten, zwei Person zu benennen, die in ihrem Leben eine wichtige und beherrschende Rolle spielen - allerdings sollte eine für den Wunsch nach härterer Arbeit stehen, die andere dagegen für den Wunsch nach mehr Spaß.

Anschließend setzten die Forscher ihre Probanden vor einen Computer, wo sie sich auf den Bildschirm konzentrieren sollten.

Was die Versuchsteilnehmer nicht wussten: Die Namen der für sie so wichtigen Personen wurden eingeblendet - allerdings nur so kurz, dass sie dies nicht bewusst wahrnehmen konnten. Dann wurden sie aufgefordert, möglichst schnell aus einer Reihe von Buchstaben Anagramme bilden.

Wie die Wissenschaftler im Journal of Experimental Social Psychology online berichten, zeigten die Versuchsteilnehmer unterschiedliche Erfolge bei dieser Aufgabe - und zwar abhängig davon, welcher Name eingeblendet worden war.

Arbeit oder Spaß

Handelte es sich um jene Person, die für die Forderung nach härterer Arbeit stand, schnitten die Probanden deutlich schlechter ab als die Mitglieder der Vergleichsgruppe.

"Die Teilnehmer waren sich nicht bewusst, dass sie einen Namen gesehen hatten - trotzdem reichte die unbewusste Wahrnehmung aus, um sie im Widerspruch zu dem handeln zu lassen, was die wichtige Person von ihnen gefordert hätte", erklärt Fitzsimons.

In einem zweiten Test wollten die Forscher überprüfen, ob Personen , die von vornherein unterschiedlich stark zur Reaktanz tendieren, auch verschieden auf die unbewusst wahrgenommenen Reize reagieren. Tatsächlich hing der Einfluss der Person, die für die Forderung nach härterer Arbeit stand, von der Widerstandskraft der Probanden ab:

Je schwächer die Neigung zur Abwehr ausgeprägt war, desto eher folgten die Probanden der unbewussten Aufforderung nach mehr Leistung und schnitten beim Anagramm-Test dementsprechend gut ab. Bei Teilnehmern mit hohem Reaktanz-Potential war es dagegen genau umgekehrt. Unter dem Eindruck einer Person, die mehr Entspannung forderte, lösten sie den Test am besten.

"Die wichtigste Erkenntnis aus dieser Untersuchung ist, dass Menschen mit einer Tendenz zur Reaktanz offenbar unbewusst und unwillentlich auf eine kontraproduktive Weise handeln - einfach weil sie versuchen, sich gegen die Einschränkungen ihrer Freiheit durch andere zu wehren", schließt Chartrand.

Die Wissenschaftlerin hat auch gleich eine Empfehlung für jene, die bei sich diese Tendenz feststellen. Sie sollten versuchen, sich der entsprechenden Situationen und der Personen, die bei ihnen Abwehrreaktion auslösen, wirklich bewusst zu sein.

Die Lehren, die Chartrand und Fitzsimons persönlich mit nach Hause nehmen, sind allerdings sehr verschieden:

Ihr Mann sollte nun besser in der Lage sein, seine Reaktanz-Tendenzen zu unterdrücken, erklärt Chartrand - offenbar in der Hoffnung, er werde sich in Zukunft mehr an der Haushaltsarbeit beteiligen.

Fitzsimons allerdings deutet die Ergebnisse ganz anders. Sie legten nahe, dass die Abwehrreaktion gegenüber Beziehungspersonen automatisch aufgebaut wird. Deshalb "kann man von mir nicht erwarten, dies zu kontrollieren - wo ich doch noch nicht einmal weiß, dass es geschieht".

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