Psychologie:Die Zweifel wegwaschen

Lesezeit: 2 min

Wem das eigene Urteil nach einer schwierigen Entscheidung nicht behagt, der sollte sich die Hände waschen. So spült man auch das Bedürfnis ab, sich im Nachhinein vor sich selbst zu rechtfertigen.

Pontius Pilatus wusch sich, so heißt es in der Bibel, die Hände in Unschuld, nachdem er Jesus zum Tode am Kreuz verurteilt hatte. Vielleicht ging es ihm so, wie es allen Menschen geht, die eine schwierige Entscheidung getroffen haben: Wie US-Wissenschaftler berichten, beseitigt das Reinigen der Hände die Zweifel am eigenen Urteil.

Durch das Händewaschen spülen wir unsere Zweifel den Abfluss hinunter. (Foto: Foto: ddp)

Wer sich nach der Wahl zwischen zwei Alternativen die Hände wäscht, löscht das Bedürfnis aus, die eigene Entscheidung im Nachhinein vor sich selbst zu rechtfertigen, berichten die Forscher im Fachmagazin Science.

Eine Entscheidung zwischen zwei ähnlich attraktiven Optionen - ­etwa nach Rom oder nach Paris zu fahren ­- hinterlässt bei vielen Menschen ein Gefühl des Unbehagens. Schließlich bedeutet die Wahl für das eine immer auch, das Zweite auszuschließen.

Um nun das unangenehme Gefühl loszuwerden, versuchen viele Menschen, ihre Entscheidung im Nachhinein vor sich zu rechtfertigen. Sie reden sich die getroffene Wahl schön und machen die abgelehnte Alternative schlecht.

Spike Lee und Norbert Schwarz von der University of Michigan wollten nun herausfinden, ob Händewaschen diesen Rechtfertigungszwang "wegwäscht".

Aus früheren Untersuchungen war bereits bekannt, dass Schuldgefühle nach Verstößen gegen die Moral durch das Waschen der Hände beseitigt werden können.

Die Forscher forderten Studenten bei einer vermeintlichen Verbraucherbefragung auf, unter 30 CDs zehn auszuwählen, die sie sich selbst gern kaufen würden. Diese zehn sollten sie dann nach ihrer persönlichen Vorliebe zu einer Top-Ten-Liste sortieren.

Vermeintliche Verbraucherbefragung

Dann boten die Forscher den Studenten an, den fünften oder sechsten Platz ihrer Hitliste als Dank für die Mitarbeit mit nach Hause zu nehmen.

Im Anschluss machten die Studenten bei einer zweiten "Verbraucherbefragung" zur Bewertung einer Flüssigseife mit.

Einige Teilnehmer bewerteten lediglich die Verpackung der Seife, andere wuschen sich damit die Hände. Dann sollten die Studenten die zehn CDs noch einmal bewerten - angeblich, weil der Sponsor wissen wollte, was Käufer nach Verlassen eines Ladens über ihre CDs denken.

Es stellte sich heraus, dass Testpersonen, die sich nur die Verpackung der Seife angesehen hatten, die von ihnen gewählte CD nun höher auf der Top-Ten-Liste platzierten. Jetzt, wo sie das Produkt besaßen, werteten sie das Produkt also auf.

Diejenigen, die sich die Hände gewaschen hatten, bewerteten die CDs dagegen beim zweiten Mal genauso wie beim ersten Mal. Offenbar zweifelten sie nicht an ihrem vorherigen Urteil.

"Das Waschen der Hände fördert neben der körperlichen Sauberkeit nicht nur die moralische Reinheit, wie frühere Studien gezeigt haben", erläutert Spike Lee. "Waschen verringert auch den Einfluss von früheren Entscheidungen, die keinerlei moralische Konsequenzen haben."

© sueddeutsche.de/dpa/cosa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: