Physik-Nobelpreis:Kleiner Effekt, große Speicher

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Dass Festplatten heute nicht mehr so groß wie Wagenräder sind, ist das Verdienst der beiden diesjährigen Nobelpeisträger für Physik: des Franzosen Albert Fert und des Deutschen Peter Grünberg.

Patrick Illinger

Auf Fotografien aus der Anfangszeit der Computertechnik sind oft weiß bekittelte Labormenschen zu sehen, die in sterilen Hallen arbeiten und autoreifengroße Metallplattenstapel herumwuchten. Das waren die ersten Computer-Festplatten, und die "Elektronische Datenverarbeitung", kurz EDV, wurde von schrankartigen Großrechnern erledigt.

Eine Festplatte von 1971: Sie wiegt zehn Kilogramm und kann 2 MB Daten speichern. Daneben eine moderne Festplatte mit 40 MB Speicherplatz. (Foto: Foto: dpa)

Dass am Beginn des 21. Jahrhunderts Computer längst ihren Weg aus den Kellern der Großkonzerne auf die Schreibtische der Welt und als Handys und MP3-Spieler in die Jackentaschen der Menschheit gefunden haben, lag entscheidend an der Entwicklung von Mikrochips, die auf einem Daumennagel-kleinen Stück Silizium mehr leisten als jeder Großrechner der 1970er-Jahre.

Im Schatten dieser Entwicklung stand eine weitere technische Revolution, die - weniger beachtet - ebenso unabdingbar war für die Miniaturisierung der Computerwelt: Die Entwicklung immer kleinerer Datenspeicher, insbesondere von Festplatten.

Je schneller die Mikroprozessoren der Computer rechnen können, desto mehr Daten fallen an, die irgendwo abgelegt werden müssen. In der Multimedia-Gesellschaft sind das oft Musikstücke, hoch aufgelöste Fotos bis hin zu digitalisierten Filmen. Wäre es nicht gelungen, Speichermedien zu entwickeln, die diese Datenflut aufnehmen können, wäre die moderne Unterhaltungselektronik nie so weit gekommen.

Dass winzige Festplatten heutzutage in der Lage sind, ungeheuere Datenmengen zu speichern, ist das Verdienst der beiden Physik-Nobelpreisträger dieses Jahres: des Franzosen Albert Fert und des Deutschen Peter Grünberg.

Nur wenige Atome dick

Entscheidend war die Entdeckung des sogenannten GMR-Effekts, den man mit ,,Gigantischer Magnetowiderstand'' übersetzen könnte. Ein normaler elektrischer Leiter, der in ein Magnetfeld eingebracht wird, ändert in geringem Maße seinen Ohmschen Widerstand. Das ist seit 150 Jahren bekannt.

Im Januar 1988 jedoch entdeckten Peter Grünberg und sein Team am Forschungszentrum Jülich fast zeitgleich mit den Konkurrenten in Frankreich, dass diese Widerstandsänderung um ein Vielfaches größer ausfällt, wenn man den elektrischen Leiter in mehreren, nur wenige Atome dünnen Schichten anordnet. In dieser Form kann das Bauteil dann als empfindlicher Messfühler für Magnetfelder verwendet werden.

Diese Entdeckung hatte unmittelbare Bedeutung für alle technischen Anwendungen, in denen kleine Magnetfelder mit großer Präzision gemessen werden sollen - eine Anforderung besonders an Computer-Festplatten. Diese Speicherelemente bestehen aus schnell rotierenden Metallscheiben, auf denen digitale Daten als magnetisches Flickenmuster aufgetragen werden.

Ein Schreib- und Lesekopf besorgt das Magnetisieren der Scheiben und dann das Auslesen der Daten sowie - nach Belieben - auch das Löschen. Dieser streicht wie ein Fühler über die rotierenden Magnetplatten, ohne sie zu berühren und "spürt" die Daten anhand ihrer magnetischen Wirkung. Der GMR-Effekt machte es möglich, die Empfindlichkeit der Leseköpfe zu vervielfachen.

Moderne Computer-Festplatten rotieren bis zu 15.000-mal in der Minute und ihre Leseköpfe saugen bis zu 90 Millionen Byte an Daten pro Sekunde auf. Dass dies mit solcher Geschwindigkeit passieren kann und dass dabei so wenige Lesefehler passieren, ist eine unmittelbare Anwendung des von Grünberg und Fert entdeckten Effekts.

Indem sie zeigten, wie kleine Magnetfelder in einem in der Nähe befindlichen elektrischen Leiter große Wirkung erzeugen, ist es möglich geworden, die Geschwindigkeit von Festplatten entscheidend zu erhöhen.

Die von Grünberg und Fert entdeckte Fernwirkung zwischen Magnetfeld und elektrischen Leitern wird indes nicht nur in der Computer- und Unterhaltungselektronik verwendet. Überall, wo es sinnvoll ist, bewegte Teile mit einem Sensor zu überwachen, finden Bauelemente Anwendung, die auf dem GMR-Effekt beruhen, so zum Beispiel auch in Waschmaschinen.

"Das Erkennen, dass dieser Effekt für Festplattenlaufwerke tauglich ist, war eigentlich keine große Leistung, das lag auf der Hand", erinnerte sich Peter Grünberg, als er 1998 vom damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog den Deutschen Zukunftspreis überreicht bekam.

© SZ vom 10.10.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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