Man kann beim Biss in eine Tomate böse Überraschungen erleben. Sie kann sauer sein, geschmacklos oder zu süß. Aber höllenscharf wie eine Habanero-Chili? Auch das könnte bald möglich werden. Botaniker aus Brasilien und Irland haben im Fachblatt Trends in Plant Science vorgeschlagen, Tomaten mithilfe neuer Gentechnik zur Chili im Schafspelz umzugestalten - und damit zu einer Biofabrik für die scharfen Stoffe. Die sogenannten Capsaicinoide werden unter anderem in der Schmerzbehandlung eingesetzt und sind begehrt. In der Natur kommen sie nur in scharfen Paprikas vor, die als Nachtschattengewächs gemeinsame Vorfahren mit der Tomate teilen. Wobei Chilipflanzen einen Nachteil gegenüber der entfernten Verwandten haben: Sie wachsen im Freiland, wo sie Schädlingen und Wetterkapriolen ausgesetzt sind. Für eine Massenproduktion der Capsaicinoide eignen sie sich deshalb nicht.
Tomaten dagegen lassen sich mit zuverlässigem Ergebnis unter Glas anbauen. Zugleich besitzen sie schon alle Gene, die für die Produktion der feurigen Stoffe nötig wären - sie müssten nur aktiviert werden. Bewerkstelligen ließe sich das durch die revolutionäre Genschere Crispr-Cas9, schreiben die Autoren. "Theoretisch könnte das sogar funktionieren", sagt der Pflanzengenetiker Jörg Kudla von der Universität Münster. "Man kann mit Crispr-Cas9 die Genexpression modulieren oder Gene aktivieren." Die Idee der scharfen Tomate illustriere die neuen Möglichkeiten der Genschere. Bleibt die Frage, ob so eine scharfe Tomate auch jenseits der medizinischen Nutzung ein Erfolg würde. Kudla zweifelt daran. Doch seine Kollegen aus Brasilien haben das Projekt schon in Angriff genommen. Wer künftig noch denkt, Tomaten schmeckten schlimmstenfalls nach nichts, sollte sich in Acht nehmen.