Paläoanthropologie:Verkratzt

Waren Neandertaler Künstler? Es ist gut möglich, dass die Verwandten von Homo sapiens einst symbolische Darstellungen anfertigten. Doch reichen zerkratzte Steine als Beleg für diese These? Und: Was wollten die Künstler ausdrücken?

Von Christian Weber

Es sind nur ein paar Kratzer auf einem Feuerstein, doch sie markieren womöglich einen großen Entwicklungsschritt in der Gattung Homo. Das zumindest folgert ein Forscherteam um die Paläoanthropologin Ana Majkić von der Universität Bordeaux aus der Analyse eines Feuersteins, der vor ungefähr 35 000 Jahren von Neandertalern in der Kiik-Koba-Höhle auf der Krim gefertigt wurde ( Plos One). Der Fund könnte ein weiterer Beleg dafür sein, dass Neandertaler kognitiv und kulturell weiter waren, als man früher gemeinhin gedacht hat. Zwar sind solche Steinritzungen nicht selten; man kennt sie aus insgesamt 27 Fundstätten aus dem Mittel- und Jung-Pleistozän in Europa und dem Nahen Osten. Allerdings stellt sich immer die Frage, ob sie der Ausdruck symbolischen Denkens sind oder schlicht Produkte des Zufalls, entstanden bei der Nahrungszerkleinerung oder beim steinzeitlichen Handwerkeln. Bei dem Fund aus Kiik Koba halten die Forscher diese Möglichkeit für unwahrscheinlich. Die mikroskopische Untersuchung des Steins deute darauf hin, dass hier mit großen feinmotorischen Fähigkeiten mit Absicht und Bedacht gekratzt wurde, so fein und detailliert sei die Linienführung. Unklar bleibt allerdings, was der steinzeitliche Künstler damit seinen Zeitgenossen mitteilen wollte.

© SZ vom 03.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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