Neurowissenschaft:Verheerendes Zeugnis für die Hirnforschung

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"Manche behauptete Entdeckungen sind wahrscheinlich falsch oder irreführend": Britische Wissenschaftler haben Arbeiten von Hirnforschern unter die Lupe genommen - und wecken erhebliche Zweifel an deren Zuverlässigkeit. Denn die statistische Aussagekraft vieler Untersuchungen ist schwach.

Die Neuro-Wissenschaft boomt, Hunderte von Millionen Euro wurden gerade in den letzten Wochen sowohl in den USA als auch in Europa für ambitionierte Großforschung am Gehirn bereitgestellt. Umso mehr irritiert eine Analyse, die Forscher um die biologischen Psychologen Katherine Button und Marcus Munafo von der University of Bristol jetzt im Fachmagazin Nature Reviews Neuroscience (online) vorgestellt haben.

Ihr Ergebnis lautet kurzgefasst: Die meisten aktuellen neurowissenschaftlichen Ergebnisse sind unzuverlässig und zeugen von wenig effizienter, eigentlich überflüssiger Forschung. Die Autoren klagen: "Schwache statistische Aussagekraft ist ein endemisches Problem in den Neurowissenschaften."

Der Satz ist eine Provokation für das Forschungsfeld, aber wird von Button und Kollegen mit harten Zahlen begründet. Diese analysierten nämlich alle 49 Metaanalysen, die 2011 in den Neurowissenschaften publiziert wurden. Dabei wurden insgesamt 730 Studien erfasst, in denen die unterschiedlichsten Forschungsmethoden angewendet wurden - bildgebende Verfahren, genetische Untersuchungen, Tierversuche. Man kann also davon ausgehen, dass diese Daten ein einigermaßen verlässliches und repräsentatives Bild abgeben.

Umso verheerender ist das Ergebnis: Die untersuchten Studien hatten im Durchschnitt eine statistische Aussagekraft von nur 21 Prozent. Dies bedeutet , dass nur in einem von fünf Fällen ein gesuchter Effekt auch wirklich gefunden wird. "Das hat zwei wichtige Implikationen", sagt Erstautorin Button, "viele Studien können gar nicht eindeutige Antworten auf die Fragen geben, die sie stellen; und manche behauptete Entdeckungen sind wahrscheinlich falsch oder irreführend."

Anders als frühere Kritiker beschäftigte sich die Nature-Autoren dabei gar nicht mit weiteren möglichen methodischen Problemen etwa bei der Interpretation von Hirnscans oder gar mit absichtlichen Manipulationen der Daten. Die untersuchten Neurostudien kranken bereits an zu kleinen Studiengruppen und schwachen, beobachteten Effekten. So produzierte Neurowissenschaftler zwar viele interessante, in der Öffentlichkeit stark beachtete Resultate, nur seien diese häufig nicht wahr.

© SZ vom 11.04.2013/cwb - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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