Neuer Nasa-Chef Bolden:Die Erkundung der Möglichkeiten

Lesezeit: 3 min

Charles Bolden ist der neue Chef der US-Raumfahrtbehörde. Er wird der Nasa neue Ziele geben müssen - auch am Boden.

Reymer Klüver

Bei der Nasa freuen sie sich auf Charles Bolden, den Neuen. Uneingeschränkt. Der Mann ist vom Fach, war selbst im Weltraum - und das nicht nur einmal. "Er kennt die Nasa, und die Leute kennen ihn", sagt der ehemalige Astronaut Steve Hawley. Offenkundig ist er ein äußerst umgänglicher Mann, der Menschen zu gewinnen versteht. "Die Nasa wird in guten Händen sein", schreibt Michael Griffin, Boldens Vorgänger, der den Job eigentlich gerne behalten hätte, kurz und bündig.

Neue Nasa-Chef Charles Bolden: Personifizierter Wechsel für die Zukunft (Foto: Foto: AFP)

Keine Frage: Bei der Nasa ist die Ankündigung des Weißen Hauses vom Wochenende, den ehemaligen Kampfflieger, Shuttle-Kommandanten und Marine-General Charles Bolden zum neuen Administrator zu ernennen, also zum Nasa-Chef, mit Beifall aufgenommen worden.

Seine Berufung dürfte etwas Ruhe in die Raumfahrtbehörde bringen, in der tiefe Verunsicherung herrscht, weil niemand wirklich weiß, was die Mission der Zukunft ist: Sollen Astronauten wirklich zurück auf den Mond? Sollen sie zum Mars, wie es Präsident George W. Bush 2004 angeordnet hat? Hat die Nasa eine neue Rolle zu spielen, zum Beispiel bei der Erkundung der Folgen des Klimawandel?

Die Ernennung von Charles Bolden sehen viele in dieser Situation sozusagen als personifizierten Wechsel auf die Zukunft: Sie glauben, dass er die Nasa für neue Aufgaben öffnen kann, ohne das traditionelle Kerngeschäft aufzugeben: die bemannte Raumfahrt.

Tatsächlich wird der 62-jährige Bolden eine Weltraumbehörde übernehmen, die nur wenig mit jener Organisation zu tun hat, zu der er 1980 mit Mitte dreißig als Astronaut kam. Sie hatte Amerikaner auf den Mond gebracht und ein erfolgreiches Raumfährenprogramm gestartet. Nun aber wird das Shuttle im kommenden Jahr wohl zum letzten Mal fliegen. Ein neues Raumschiff wird frühestens 2015 einsatzbereit sein. Die wichtigsten wissenschaftlichen Programme der Nasa sind hoffnungslos in den roten Zahlen - trotz einer fünfprozentigen Haushaltserhöhung in diesem Jahr. Und das Weiße Haus hat Anfang des Monats eine Komplettüberprüfung des bemannten Raumfahrtprogramms angeordnet, die bis zum Sommer abgeschlossen sein soll. Es dürfte leichtere Zeiten in der 50-jährigen Nasa-Geschichte gegeben haben.

Dem Rassismus entkommen

Charles Bolden, in South Carolina aufgewachsen, ist dem Rassismus im alten Süden der USA durch seine Offizierslaufbahn bei den Marines entkommen. Er absolvierte die Naval Acadamy in Annapolis und flog als Kampfpilot im letzten Jahr des Vietnam-Kriegs 1972/73 noch mehr als hundert Einsätze. Er qualifizierte sich danach als Testpilot, schaffte die Aufnahme ins Astronautenkader der Nasa und flog vier Mal mit der Raumfähre ins All, die letzten beiden Male als Shuttle-Kommandant. 1994 kehrte er zu den Marines zurück und schied erst vor fünf Jahren als Generalmajor aus dem aktiven Dienst aus.

Sicherlich kommt es dem Weißen Haus gelegen, in Bolden den ersten schwarzen Nasa-Chef zu berufen. Kann Obama doch damit zeigen, dass auch das so geschichtsträchtige Thema Raumfahrt für die ganze amerikanische Nation steht. Doch dürfte Boldens Hautfarbe intern nicht die wichtigste Rolle bei seiner Wahl gespielt haben. Lange galt der ehemalige Luftwaffengeneral Scott Gration, der Obamas Wahlkampfteam in Raumfahrtfragen beraten hatte, als Nummer eins auf der Kandidatenliste. Gration ist ein Weißer.

Viel wichtiger bei der Entscheidung des Weißen Hauses dürfte die Lobby-Arbeit von Senator Bill Nelson aus Florida gewesen sein. Nelson ist 1986 als Kongressabgeordneter mit dem Space Shuttle ins Weltall geflogen. Bolden war damals Pilot der Raumfähre, und Nelson ist seither sein einflussreicher Freund. "Ich habe Charlie damals mein Leben anvertraut. Und das würde ich heute wieder tun." Der Senator ist Vorsitzender des Unterausschusses für Handel, Wissenschaft und Transport - das Gremium ist zuständig für die Nasa. Gegen seinen Widerstand hätten es andere Kandidaten sicherlich schwer gehabt.

Bolden selbst hätte bereits vor Jahren in die Nasa-Führung aufrücken sollen. 2002 wollte Präsident George W. Bush ihn zum Nasa-Vize ernennen. Seinerzeit stellte sich jedoch Verteidigungsminister Donald Rumsfeld quer, der den damaligen Marine-General für unabkömmlich hielt bei der Planung für den Einmarsch in den Irak.

Jetzt dauerte es auffallend lange, ehe sich Präsident Barack Obama, der Bolden Anfang vergangener Woche zum Vorstellungsgespräch im Weißen Haus empfangen hatte, öffentlich auf ihn festlegte. Das hat nicht mit Zweifeln an seiner persönlichen Qualifikation zu tun. Schwierigkeiten machten die neuen verschärften Ethik-Regeln, die Obama zu Beginn seiner Amtszeit erlassen hat.

Mit ihnen soll der Einfluss von Lobbyisten auf die Regierung zurückgedrängt werden. Bolden war nach seiner Pensionierung kurzzeitig als Lobbyist für den Hersteller der Raketenmotoren des Space Shuttle tätig, zudem sitzt er im Aufsichtsrat einer Firma, die Motoren für das neue Raumschiff bauen soll. Nach diesen Regeln käme Bolden für den Nasa-Posten nicht in Frage. Er soll deshalb eine Ausnahmegenehmigung bekommen und sich aus Vertragsverhandlungen mit beiden Firmen heraushalten.

© SZ vom 25.05.2009/lala - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: