Mobilfunkfrequenzen:"Enormes Forschungsdefizit"

Lesezeit: 1 min

Während in Mainz Mobilfunkfrequenzen versteigert werden, kritisieren Bürgerinitiativen, die Gesundheitsrisiken der Strahlen seien nicht ausreichend untersucht.

Christopher Schrader

Kaum haben in Mainz die Auktionen begonnen, melden sich Bürgerinitiativen gegen Mobilfunk zu Wort. Ohne vorher zu klären, ob die Strahlung die Gesundheit gefährde, erhalte der sogenannte LTE-Funk Frequenzbereiche, klagen sie.

"Erst Anwendung - dann Forschung: Dieses Prinzip ist unakzeptabel", wettert zum Beispiel die Organisation Diagnose-Funk. Der Erlös der Versteigerung müsse dazu dienen, die biologische Wirkung der Funkwellen zu erkunden, bevor die ersten neuen Antennen genehmigt werden, fordert die Initiative.

Wissenschaftler halten diese Forderung aber nicht für gerechtfertigt. "Im attraktivsten der neuen Frequenzbereiche, der schnelles Internet auf dem Land erlauben soll, wurde bis vor kurzem analoges Fernsehprogramm ausgestrahlt", sagt Alexander Lerchl von der Jacobs-Universität in Bremen, der der Strahlenschutzkommission angehört. "Die Exposition der Menschen wird sich nicht wesentlich ändern."

Außerdem wisse die Forschung viel über den angrenzenden Bereich der Handystrahlung, weil dort die Netze von T-Mobile und Vodafone liegen, sagt er.

Allerdings liefert die Forschung keine abschließenden Antworten. Nationale Aufsichtsbehörden fassen die Ergebnisse der zahlreichen Studien so zusammen, dass es zwar Hinweise auf, aber keine Beweise für Gefahren durch den Mobilfunk gebe.

Tatsächlich liegen alle Frequenzen, um die die Konzerne in Mainz pokern, in der Nähe anderer Bereiche des Mobilfunks. "Darum gibt es für die LTE-Bereiche keine besondere Wissenslücke", sagt Peter Neitzke, Leiter des Ecolog-Instituts in Hannover.

Anders als Lerchl sieht er aber "generell ein enormes Forschungsdefizit". Die Wissenschaft könne zum Beispiel nicht sagen, welchen Einfluss die Signalstruktur hat - ob die Daten also kontinuierlich oder gepulst übertragen werden.

Eines sei klar, sagt Neitzke. Statt weniger starker Fernsehsender werde es auf dem Land viele schwächere LTE-Antennen geben. "Die Belastung wird gleichmäßiger", sagt er. Darum beklagt die Partei ÖDP, mit der Neuvergabe der Frequenzen für LTE-Funk verspiele der Staat die Chance, die Grenzwerte für die Strahlenbelastung entscheidend zu senken.

© SZ vom 13.04.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: