Mit dem Flugzeug in den Urlaub? Nein!:Ich bleib' daheim

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Die Empfehlungen von Politikern und Experten, zu Hause Urlaub zu machen, sind kein Anschlag auf die Reisefreiheit. Sie entspringen vielmehr dem Gebot der Vernunft.

Markus C. Schulte von Drach

Mobilität und Reisefreiheit sind extrem wichtig. Eingeschränkte Reisefreiheit - das erinnert an Nordkorea, die DDR und andere frühere Ostblockstaaten.

Bedrohtes Paradies: die Malediven (Foto: Foto: dpa)

Es ist wunderbar, dass die Welt inzwischen ein Dorf ist, in dem man sich innerhalb von wenigen Stunden über die halbe Erdkugel hinweg besuchen kann.

Bestimmt hat der persönliche interkontinentale Kontakt auch das Risiko verringert, dass statt der Passagiermaschinen interkontinentale Raketen fliegen.

Wer heute nicht mobil ist, hat angesichts der herrschenden Umstände auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt ein Problem. Ganze Heerscharen von Menschen sind inzwischen dazu gezwungen, längere Strecken zwischen Heim und Arbeitsplatz zu bewältigen.

Es muss also gewährleistet sein, dass Menschen sich von Ort zu Ort bewegen können - auf Straßen, Schienen und mit dem Flugzeug. Es wäre sogar prinzipiell wünschenswert, dass sich alle Menschen das auch leisten können.

Aber um diese Art von Reisefreiheit und Mobilität geht es überhaupt nicht in der derzeitigen Diskussion um Möglichkeiten, die Erderwärmung zu bremsen.

Es geht vielmehr um die gewachsene Zahl von Fernurlaubsreisen, die wir uns leisten - insbesondere um kurze Reisen ins Urlaubsparadies. Und es geht um den Einsatz energie-effizienter Fortbewegungsmittel.

Es geht um Luxus, um Vernunft und Verantwortung.

Wer sich für fremde Länder und Kulturen interessiert, dessen Neugier wird während einer zweiwöchigen Reise auf die Malediven kaum gestillt. Es kann doch nicht sein, dass wir mal eben dorthin fliegen - und dabei bedenkenlos den riesigen Ausstoß von Kohlendioxid in Kauf nehmen, der mit dazu führt, dass diese Inseln untergehen werden.

Damit degradieren wir ganze Länder und Kulturen zum Vergnügungspark: Wenn so ein Park dicht machen muss, dann suchen wir uns halt einen anderen.

Wer mit dem Billigflieger zum Shoppen nach London, Paris, Madrid oder gar New York jettet, dem geht es um schicke Kleider und das Zelebrieren eines Lebensstils.

Ähnlich ist es ja mit den Edelkarossen, von denen offenbar das Überleben der deutschen Autoindustrie abhängt. Sie werden von Leuten gefahren, die sich eine Kombination von Sicherheit und Luxus leisten wollen. Im Prinzip ist dieser Wunsch nachvollziehbar. Doch im seltensten Fall dürfte es tatsächlich um das tägliche Überleben im Pendelverkehr und den Komfort des Vielfahrers gehen.

Denn es stehen genug sichere und bequeme Autos zur Verfügung, mit denen man sich mit vernünftigerem Energieaufwand fortbewegen kann. Das Bedürfnis nach PS und Protzerei stillen sie natürlich nicht.

Der Klimawandel ist real und er ist eine Bedrohung - für uns, für andere und für die nachfolgenden Generationen. Die weltweit vorherrschende Überzeugung von Klimaforschern ist, dass möglichst schnell etwas gegen die zunehmende Erderwärmung getan werden muss. Und neben der Politik und der Industrie steht hier auch jeder Einzelne in der Verantwortung.

Nun wird ja derzeit kein Gesetz diskutiert, dass den Deutschen das Reisen verbieten soll - auch wenn die Empörung über die Empfehlungen einiger Politiker und Wissenschaftler, im Urlaub mal in Deutschland zu bleiben, fast diesen Eindruck vermitteln.

Aber Menschen organisieren ihr Zusammenleben nicht nur mit Gesetzen, sondern auch über Gebote. Und wenn das Gebot der Stunde heißt: "Wir müssen Energie sparen", dann ist der Rat, statt auf die Seychellen doch mal nach Sylt zu reisen, völlig angemessen. Bleibt zu hoffen, dass er Gehör findet.

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