Medizin:Pflaster statt Spritze

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Viele Menschen lassen sich und ihre Kinder nicht impfen, weil sie Angst vor der Spritze haben. (Foto: mauritius images / age fotostock / Juan García Aunión)

Impfungen zum Aufkleben wären leichter in der Anwendung und zudem günstiger. Mediziner hoffen vor allem, dass diese Art der Immunisierung weniger Ängste auslöst als jene per Injektion.

Von Werner Bartens

Hat ja gar nicht weh getan. Diese Reaktion auf eine Impfung könnte alltäglich werden, sollte sich die Methode in weiteren Untersuchungen als sicher und wirksam erweisen. Statt des manchmal doch schmerzhaften Piks beim Arzt könnten sich Menschen selbst Pflaster aufkleben, um Impfschutz zu erzielen. In einer vorläufigen Studie im Fachmagazin Lancet hat sich die Benutzung als einfach erwiesen, Nebenwirkungen traten kaum auf. Ärzte der Emory University in Atlanta hatten 100 Freiwillige in einer Phase-1-Studie untersucht. Dabei geht es darum, Dosis und Verträglichkeit zu testen. Die klinische Wirkung und Anwendung ist damit noch nicht gewährleistet. Ein Teil der Probanden erhielt die Grippeimpfung auf herkömmliche Weise mit einer Injektion in den Muskel. Ein Teil bekam ein mit Grippeimpfstoff präpariertes Pflaster für 20 Minuten auf das Handgelenk, ein anderer Teil ein Pflaster ohne Wirkstoff. Das Impfpflaster hat ungefähr den Umfang eines Schnapsglases und ist mit 100 Mikronadeln versehen, die den Wirkstoff enthalten und abgeben, sobald sie aufgeklebt werden. Die Nadeln sind so klein, dass der Hautkontakt nicht schmerzt.

Im Vergleich zur Spritze traten bei Pflastern ähnlich geringe Nebenwirkungen auf, ein Teil der Probanden berichtete über leichte Rötungen, Juckreiz oder Missempfindungen. Schon nach einmaligem Gebrauch gaben 70 Prozent der Probanden an, künftig lieber mittels Pflaster als per Spritze geimpft zu werden. Auch die Immunantwort - gemessen an der Entwicklung von Antikörpern gegen Grippeviren - war vier Wochen nach der Pflasterimpfung ähnlich ausgeprägt wie nach einer intramuskulären Spritze. An einer Grippe erkrankte in den folgenden sechs Monaten keiner der Freiwilligen.

"Viele Erwachsene und Kinder lassen sich nicht impfen, weil sie den Weg zum Arzt scheuen oder Schmerzen befürchten", sagt Nadine Rouphael, die Hauptautorin der Studie. "Pflaster, die sich selbst auflösen, könnten die Impfung vereinfachen." Zudem bleiben die Pflaster ungekühlt bei bis zu 40 Grad für ein Jahr stabil. Das vereinfacht Lagerung und Transport, da nicht mal ein Kühlschrank zur Aufbewahrung nötig ist. Sogar per Post kann die Klebeimpfung verschickt werden.

Zwar betonen die Autoren, dass Wirksamkeit und problemlose Anwendung der Pflaster noch in größeren Studien betätigt werden müssen. Trotzdem sehen Mediziner die Chance, die für die Grippeimpfung bescheidenen Teilnehmerquoten in wohlhabenden Ländern zu verbessern. "In den Industrienationen steht es jedem frei, sich gegen Grippe impfen zu lassen oder nicht", schreiben die Impfexpertinnen Katja Höschler und Maria Zambon aus London in einem Kommentar. "Aber für die notwendigen Impfprogramme in Entwicklungsländern wären die Pflaster eine ideale Möglichkeit, weil sie so günstig und unkompliziert sind." Während es Impfprogramme in 92 Prozent der Länder mit hohem Einkommen gibt, ist dies nur in 24 Prozent der ärmsten Regionen der Fall." Sollten sich die Pflaster durchsetzen, wären sie nicht nur eine Alternative für Menschen, die Angst vor Spritzen haben, sondern könnten auch global die Gesundheit verbessern. Dann käme es allerdings darauf an, sie mit Impfstoff gegen noch bedrohlichere Leiden zu imprägnieren als die Grippe.

© SZ vom 05.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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