Medizin:Bleibende Schäden

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Die schädlichen Spuren des Alkohols im Gehirn sind auch nach wochenlanger Abstinenz zu erkennen und schreiten in dieser Zeit sogar weiter fort. Besonders betroffen ist offenbar die weiße Substanz, die für den Gefühlshaushalt eine wichtige Rolle spielt.

Von Werner Bartens

Die schädlichen Spuren des Alkohols im Gehirn sind auch nach wochenlanger Abstinenz zu erkennen und schreiten in dieser Zeit sogar weiter fort. Zu diesem Ergebnis kommen Neurowissenschaftler aus dem spanischen Alicante und vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim im Fachmagazin Jama Psychiatry. Mittels spezieller Kernspinaufnahmen verfolgte das Team um Wolfgang Sommer und Santiago Canals nach, wie sich die Hirnstrukturen veränderten. Von den Schädigungen war besonders die weiße Substanz betroffen, die für die Verbindung zwischen den verschiedenen Hirnregionen und den Gefühlshaushalt eine wichtige Rolle spielt.

Die Forscher verglichen 91 alkoholkranke Männer, die sich in einer Entzugsklinik befanden, mit solchen, die kein Alkoholproblem hatten. Zu ihrer Überraschung sahen sie in den Kernspinaufnahmen, dass Schädigungen in den ersten zwei bis sechs Wochen der Abstinenz weiter zunahmen. "Bisher konnte niemand glauben, dass der Schaden auch in der Abwesenheit von Alkohol fortschreitet", sagt Canals. "Die Patienten waren in der Klinik und nahmen an Entgiftungsprogrammen teil, sodass garantiert war, dass sie keinen Alkohol tranken."

Parallel zu den Untersuchungen an alkoholkranken Menschen wurden auch Studien an Ratten vorgenommen. Die Schädigungen der Hirnstruktur unter Alkoholeinfluss zeigten ähnliche Muster, besonders beeinträchtigt war die weiße Substanz im Bereich des Balken und in Teilen des Hippocampus. Der Balken ist die wichtigste Verbindung zwischen beiden Hirnhälften, der Hippocampus ist zentral für Gedächtnis und Gefühlsleben. Zudem waren Hirnteile betroffen, die zum Belohnungssystem gehören und für die Entscheidungsfindung wichtig sind. Dass die Veränderungen der Nervenfasern teilweise über mehrere Wochen anhielten, widerspricht der bisherigen Vorstellung, wonach Schäden reversibel sind, sobald die Neuronen nicht mehr dem Alkohol ausgesetzt sind.

© SZ vom 04.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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