Marcelo Ebrard:Der Dompteur von Mexiko-Stadt

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Mexiko-Stadt steht vor einer der größten Herausforderungen ihrer Geschichte: Mittendrin versucht Bürgermeister Marcelo Ebrard die Nerven zu behalten.

Peter Burghardt

Als ob der Job nicht hart genug wäre: Bürgermeister einer der größten Städte der Welt, die immer wieder erschüttert wird von Katastrophen aller Art. Mexiko-Stadt ist eine phantastische Metropole einer jahrhundertealten Hochkultur mit allen Vorzügen der Moderne. Doch die Megalopolis mit ihren mehr als 20 Millionen Einwohnern im Großraum leidet auch unter Verkehrschaos, Umweltverschmutzung und Kriminalität, zuletzt geschürt durch den Krieg der Drogenkartelle. Manchmal bebt außerdem die Erde.

Schlichte Brille, beruhigende Autorität: Marcelo Ebrard, Bürgermeister von Mexiko-Stadt. (Foto: Foto: dpa)

Nun ringt Mexiko-Stadt mit einer der größten Herausforderungen ihrer Geschichte: dem Ausbruch einer Form der Schweinegrippe, die sich zur tödlichen Gefahr auswächst. Mindestens 25 Menschen waren bis gestern allein in diesem Häusermeer nachweislich an dem Virus H1N1 gestorben, mehr als tausend sind vermutlich daran erkrankt. Mittendrin versucht Marcelo Ebrard die Nerven zu behalten.

Der Mann mit der schlichten Brille ist eine jener Autoritäten, die die Bevölkerung in diesen Tagen warnen und gleichzeitig beruhigen müssen. Diese Woche gilt als die entscheidende im Kampf gegen eine Krankheit, die zur Pandemie werden könnte. Museen, Kinos, Bars, Fußballstadien, Kirchen und andere Attraktionen wurden bereits für das Publikum geschlossen, die Schulen der Stadt bleiben bis zum 6. Mai zu.

Auf der Sicherheitsskala von eins bis zehn sei man bei acht angekommen, sagte Ebrard kühl. "Das Maximum würde bedeuten, dass wir den Flughafen und die Busbahnhöfe schließen", sogar die Metro könnte angehalten werden. Der Moloch wird teilweise zur Geisterstadt, und der Bürgermeister führt Regie.

Kampf mit einem unsichtbaren Feind

Abstimmen muss sich Ebrard wohl oder übel mit der von ihm verhassten Nationalregierung und Präsident Felipe Calderón. Ebrard machte als ein Gegner der Unternehmerpartei PAN des Präsidenten Karriere. Der heute 49-jährige Vater von drei Kindern studierte internationale Beziehungen in Mexiko und Frankreich, von dort stammt seine Familie. Mit 30 war er Generalsekretär der Revolutionspartei PRI, die das Land mehr als 70 Jahre lang beherrschte.

Später wechselte er zu den Grünen, gründete eine sogenannte Demokratische Zentrumspartei und gehörte schließlich zum Gefolge der linken PRD. Dort stand er Andrés Manuel López Obrador nahe und war dessen Berater als Bürgermeister der Hauptstadt. Später erbte er den Posten ganz. López Obrador verlor 2006 die Präsidentschaftswahl hauchdünn gegen den Konservativen Calderón, bis heute spricht er von Wahlbetrug. Die Proteste legten Mexiko-Stadt wochenlang lahm. Auch Ebrard erkennt Calderón bis heute nicht als rechtmäßigen Staatschef an.

Zu dem Duell um die große Politik kommt die schwierige Stadtverwaltung. Ebrard versuchte, im Drogenviertel Tepico aufzuräumen, die Renovierung der Altstadt voranzutreiben, des Smogs, der Gewalt und der Wasserprobleme Herr zu werden - mit mäßigem Erfolg. 2007 unterstützte er die legale Abtreibung bis zur zwölften Schwangerschaftswoche und kam mit dem Klerus in Konflikt. Jetzt kämpft auch er mit einem unsichtbaren Feind, dem Virus.

© SZ vom 29.04.2009/woja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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