Leben in der Ursuppe:Die Mutter aller Gene

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US-Chemiker haben eine Antwort auf die Frage gefunden, wie sich die ersten Erbmoleküle vermehren konnten.

Katrin Blawat

Die Idee von George Gamow, dem Vater der Urknall-Hypothese, war exzentrisch. Er gründete 1954 einen Klub, dessen Kleiderordnung Wollkrawatten mit dem eingestrickten Emblem des Erbgutmoleküls DNS (Desoxyribonukleinsäure) vorschrieb.

Struktur des L1 Ligase-Ribozyms. (Foto: Grafik: M. Robertson, W. Scott)

Ein Jahr zuvor hatten James Watson und Francis Crick die Struktur der Erbsubstanz aufgeklärt. Wie viele Mitglieder der Klub haben sollte, stand von Anfang an fest: 24, eine symbolische Zahl. 20 reguläre Mitglieder repräsentierten die 20 Aminosäuren, aus denen sich Eiweiße zusammensetzen.

Vier Ehrenmitglieder wurden für die vier Basen-Bausteine, aus denen die DNS besteht, aufgenommen. Die Mitgliedschaft im Klub war eine hohe Ehre, aber auch eine große Herausforderung. Die 24 Wissenschaftler wollten herausfinden, wie aus dem ersten Erbgutmolekül ganze Organismen entstehen konnten.

Blitze in der Ursuppe

Ganz fertig geworden sind sie damit noch nicht. Immerhin sind sich heute die meisten Forscher einig, dass die Erbsubstanz DNS aus der chemisch nur wenig abweichenden RNS (Ribonukleinsäure) entstanden ist.

Doch bleibt die Frage, wie sich diese Mutter aller Erbgutmoleküle vermehren konnte. Die Antwort darauf haben jetzt Michael Robertson und William Scott von der University of California gefunden ( Science, Bd. 315, S. 1549). Die Biochemiker stellten ein sogenanntes Ligase-Enzym her, das zwei RNS-Moleküle verbinden kann. Bisher war ein solches Enzym, das die Voraussetzung für die Entwicklung des Lebens darstellt, unbekannt.

Der Träger der Erbsubstanz, die DNS, braucht mehr als 20 solcher Hilfsmoleküle, um sich zu verdoppeln. Wäre vor dreieinhalb Milliarden Jahren, als gerade das erste Leben auf der Erde entstand, schon eine ähnlich komplizierte Maschinerie nötig gewesen, dann hätte sich nie auch nur ein einfacher Organismus wie ein Bakterium entwickeln können.

Aus Wissen haben Forscher die "RNS-Welt-Hypothese" entwickelt. Demnach sind aus einer Art Ursuppe spontan die ersten RNS-Moleküle entstanden, die die Gene der frühen Lebewesen speicherten. "Noch heute bilden alle Zellen RNS, um damit Eiweiße herzustellen, und einige Viren, zum Beispiel HIV, benutzen wie die ersten Lebewesen RNS statt DNS als Erbgutträger", sagt Thomas Carell von der Universität München.

Für die RNS-Welt-Hypothese spräche außerdem, dass RNS vielseitiger ist als die moderne Variante der Erbsubstanz. Als das Leben sich gerade erst entwickelte, mussten die wenigen Moleküle die es bereits gab Alleskönner sein, bereit, mehrere Aufgaben zu übernehmen. Zudem wäre die aufwändigere DNS-Synthese unter diesen Bedingungen nicht möglich gewesen.

RNS aus wenigen Ausgangsstoffen

Dass aus den wenigen Ausgangsstoffen sehr wohl RNS entstehen konnte, haben Stanley Miller von der Universität of California schon 1953 in einem berühmten Experiment gezeigt.

Er mischte Wasser, Methan, Wasserstoff und Ammoniak in einem Reaktionsgefäß. Mit elektrischen Entladungen simulierte er Blitze. Daraufhin entstanden in dem Gefäß organische Moleküle, die als Vorstufe der RNS gelten.

"Dass sich alles Leben aus RNS entwickelt hat, ist inzwischen allgemein akzeptiert", sagt Christof Biebricher vom Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen, der selbst Ursprung und Wirkungsweise der RNS untersucht.

Erledigt ist die Arbeit des Krawatten-Klubs dennoch nicht.

Wenn DNS aus RNS entstanden ist - woher kamen dann die ersten RNS-Moleküle?

Kritiker des Miller-Experiments wie der Münchener Chemiker Günter Wächtershäuser und der Schweizer Albert Eschenmoser postulieren stattdessen, dass sich das Leben aus einer mineralhaltigen Oberfläche entwickelt habe. Eisensulfid soll dieser Theorie nach als Energiequelle gedient haben.

© SZ vom 20.3.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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