Krabbeltiere:Falscher Frühling

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Das warme Wetter treibt Insekten wie Marienkäfer aus ihren Winterquartieren. Einige lästige Tierchen wie die Birkenwanze suchen sich nun ihren Platz in Häusern und Wohnungen.

Ralf Nestler

Ende November ist nicht die Zeit, in der sich Insekten wohlfühlen. In diesem Jahr ist das anders. In Süddeutschland taumeln Halmfliegen durch die Luft. Marienkäfer krabbeln an den letzten welken Blättern und Birkenwanzen sind im Freien unterwegs. Auch einige Stechmücken gieren noch nach ihrer Blutmahlzeit.

In diesem Jahr auch noch Ende November aktiv: Ein Marienkäfer (Foto: Foto: dpa)

Normal ist das nicht: Zu dieser Jahreszeit sind die meisten Insekten für gewöhnlich tot oder haben sich in ihr Winterquartier zurückgezogen. Aber auch das Wetter ist schließlich ungewöhnlich: "Deshalb sind viele Arten länger aktiv als in den vergangenen Jahren", sagt Marion Kotrba, Insektenforscherin der Zoologischen Staatssammlung München.

Den schönen Spätherbst nutzen auch lästige Insekten. Markus Bräu vom Referat für Gesundheit und Umwelt der Stadt München hat etliche Birkenwanzen gesehen. "In diesem Jahr ist die Vegetationsperiode sehr lang", sagt Bräu. Dadurch finden Insekten länger Futter, etwa Blattläuse oder Fruchtstände von Bäumen.

Winterquartieren in Häusern und Wohnungen

Weil das Laub spät fiel, suchen Birkenwanzen erst jetzt nach Winterquartieren in Häusern und Wohnungen. Andere Insekten kehren derzeit sogar aus ihrem Winterversteck zurück. Die hohen Temperaturen wecken einige Tiere aus der Winterstarre. So hat Bräu kürzlich Admiralfalter gesichtet. Das ist ungewöhnlich im November, denn normalerweise beziehen die Falter schon im August ihre Ruheplätze unter Brücken oder in Baumhöhlen.

Die Natur wirkt durch das warme Wetter verwirrt: Vögel singen, Rosen treiben Blüten. Schön anzusehen, für viele Lebewesen - besonders Insekten - kann es aber tödlich sein. Werden sie wie der Admiralfalter aus der Winterstarre geweckt, bewegen sie sich und verbrauchen mehr Energie. Finden sie kein Futter, sterben sie.

Frostschutzmittel aus Glycerin

Frost ist für Falter und viele andere Insekten das kleinere Problem. Sinken die Temperaturen, bilden sie eine Art Frostschutzmittel aus Glycerin. Manche Arten erhalten sich auf andere Weise: Frostspanner, die derzeit auch noch zahlreich zu sehen sind, legen vor ihrem Kältetod Eier.

Es ist normal, dass sie sich erst im November paaren und einen Platz für ihre Eier suchen, bevor sie sterben. Vorteil dieser Variante: Eier haben keinen Stoffwechsel und überleben auch bei starkem Frost.

Von den vielen Insekten derzeit auf eine Plage im kommenden Jahr zu schließen, wäre verfrüht. "Eine allgemeine Schätzung kann man nicht abgeben, jede Art hat andere Überlebensstrategien", sagt Frank Menzel vom Deutschen Entomologischen Institut in Müncheberg.

Den gefürchteten Stechmücken etwa bereitet starker Frost kaum Probleme, ihre Eier überstehen selbst minus 40 Grad. Für sie ist das Wetter im Frühjahr entscheidend: Wenn es reichlich regnet, sodass ihre Eier im Wasser liegen, entwickeln sich unzählige Larven. Kommt noch Wärme dazu, schlüpfen die Larven - die Plage ist perfekt.

© SZ vom 25.11.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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