Konfliktforschung:Flüchtlinge können große Konflikte auslösen

Internationale Organisationen bis zum Sicherheitsrat der Vereinten Nationen haben bereits ähnliche Bedrohungen identifiziert. Besonders die Zahl der Flüchtlinge könnte große Konflikte auslösen. Schätzungen der UN sprechen von 150 bis 200 Millionen Menschen, die im Jahr 2050 vor Klimaveränderungen fliehen, andere Organisationen nennen ähnliche Zahlen. Darum stellen sich vielerorts Generalstäbe und Geheimdienste darauf ein, dass der Klimawandel die nationale Sicherheit bedroht.

"Dass ein verändertes Klima Konflikte provozieren könnte, ist nicht gerade bahnbrechend neu, denn der Mensch konkurriert zunehmend um natürliche Ressourcen, deren Bereitstellung durch den Klimawandel stark beeinträchtigt werden kann", sagt Jürgen Kropp vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. "Wichtig und gut ist aber, dass die Autoren der neuen Studie so viele Daten zusammengetragen und mit einem gemeinsamen statistischen Verfahren analysiert haben."

US-Grenzpatrouille an der mexikanischen Grenze

US-Grenzpatrouille an der mexikanischen Grenze. Werden in Zukunft Millionen Menschen in Mexiko und Zentralamerika wegen des Klimawandels hungern - und in die USA drängen?

(Foto: AFP)

Dennoch ist zweifelhaft, ob Hsiangs Versuch gelungen ist, einen Konsens zu finden. "Es ist noch zu früh, nach Einigkeit in dem Forschungsfeld zu suchen", sagt Ole Magnus Theisen vom norwegischen Friedensforschungsinstitut Prio. "Vermutlich spielen an verschiedenen Orten zu unterschiedlichen Zeiten jeweils andere Mechanismen eine Rolle bei der Entstehung von Gewalt." Hsiang und seine Kollegen nennen Theisen als Beispiel für einen Autor, dessen These sie umgedreht haben; er ist auch damit nicht einverstanden.

"Die Autoren haben die Kontroverse in der Wissenschaft nicht hinreichend zum Ausdruck gebracht", sagt auch Jürgen Scheffran vom Klima-Campus an der Universität Hamburg. Hsiangs Team habe Literatur, die zu anderen Ergebnissen kommt als die von ihnen ausgewählte, nicht ausreichend berücksichtigt. Als Beispiel nennt Scheffran eine eigene Meta-Analyse aus dem Jahr 2012, die sich mit dem Zusammenhang von Klimawandel und Gewaltkonflikten beschäftigt hatte. Darin hatten 16 Studien einen statistisch bedeutsamen Zusammenhang gefunden, also die Mehrheit. "Von den andern elf aber haben Hsiang und seine Kollegen mehr als die Hälfte nicht in die Analyse einbezogen."

"Ich warne doch auch vor der Möglichkeit, dass der Klimawandel die Konflikte anheizen könnte", sagt Scheffran. "Aber nur die ganze Bandbreite wissenschaftlicher Ergebnisse hilft, die Bedingungen zu verstehen, unter denen die Gewalt ausbricht." Es sei ja nicht einmal gesagt, dass die Veränderungen immer zu Konflikten führen müssen.

Zum Beispiel zeigt Aaron Wolf von der Oregon State University, dass Streit um Wasser aus grenzüberschreitenden Flüssen häufiger zur Zusammenarbeit und zu internationalen Verträgen führt als zur Gewalt. Zwischen 1948 und 2008 sei nur 21-mal geschossen, aber 682-mal geredet worden, in 145 Fällen folgten Verträge.

Hsiang und seine Kollegen dürften solche Einwände wenig beeindrucken. In allen 27 Fällen zeigten die von ihnen benutzten Studien, dass höhere Temperaturen mehr Konflikte auslösen. Bei Veränderungen des Regens wiesen 16 von 18 Untersuchungen in die gleiche Richtung. Solange keine Studien auftauchen, denen zufolge der Klimawandel die Menschen friedlicher macht, spricht einiges für ihre These.

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