Kommentar:Weniger Promi-Faktor

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Berit Uhlmann hätte nichts gegen teurere Fleisch- und Süßwaren einzuwenden. (Foto: N/A)

Immer wieder mahnen berühmte Menschen mehr Aufmerksamkeit für ganz bestimmte Krankheiten an. Das mag gut gemeint sein, ist aber oft kontraproduktiv. Der Schritt zu überflüssigen Therapien ist klein.

Von Berit Uhlmann

Eine Zeit lang zwang die Autoimmunerkrankung Lupus die Schauspielerin Selena Gomez ins Krankenbett. Als sie in die Öffentlichkeit zurückkehrte, mahnte sie dort mehr Aufmerksamkeit für das Leiden an. Seit Lady Gaga von Fibromyalgie gequält wird, will sie das Bewusstsein für die Schmerzerkrankung schärfen. Und als die Schauspielerin Lena Dunham die Diagnose Endometriose bekam, war ihr klar, was nun nötig ist: mehr Beachtung für die gynäkologischen Beschwerden. Und das sind nur drei Beispiele.

Prinzipiell ist nichts dagegen einzuwenden wenn berühmten Menschen offen mit ihren Beschwerden umgehen. So können womöglich Vorurteile abgebaut werden. Aber es wird problematisch, wenn diese Geschichten mit enormem Sendungsbewusstsein in die Öffentlichkeit gedrückt werden und wahllos immer neue Krankheiten um Beachtung buhlen, egal ob sie häufig oder exotisch sind, vermeidbar gewesen wären oder nicht. Denn Aufmerksamkeit ist ein begrenztes Gut, ebenso wie die Ressourcen, die sie zu generieren vermag. Wer mehr für Krankheit A aufwendet, kann weniger in Krankheit B investieren. Die Entscheidung, ob A Priorität haben sollte, darf aber nicht von Zufällen der Promiwelt abhängig sein. Sie muss von jenen getroffen werden, die das Gesamtbild im Blick haben: Welche Krankheit ist so relevant, dass sie mehr Mittel als bisher braucht? Und was genau wird benötigt: mehr Aufklärung, Tests oder Therapien? All das wird schnell gefordert, ist aber nicht bei jeder Erkrankung nötig.

Bei den Patienten oder den vermeintlich Betroffenen kommt jedoch leicht die Botschaft an, dass die Rettung auf jeden Fall im Mehr liegt. Der Schritt zu überflüssigen Tests oder gar Therapien ist dann sehr klein. Als Angelina Jolie ihre präventive Brust-OP garniert mit Warnungen und Empfehlungen verkündete, nahm die Zahl der Gentests auf Brustkrebs in den USA allein in den drei Folgewochen um 65 Prozent zu.

Studien deuten jedoch darauf hin, dass damit nicht mehr Fälle von familiärem Brustkrebs entdeckt wurden. Wahrscheinlich hatten sich vor allem Frauen testen lassen, die gar kein hohes Risiko für die Krankheitsform haben, an der Jolie litt. Zu dieser Schlussfolgerung passt eine Befragung von US-Bürgern: Während die große Mehrheit im Detail über die Krankengeschichte der Schauspielerin Bescheid wusste, konnten nicht einmal zehn Prozent das Brustkrebs-Risiko einer durchschnittlichen Frau halbwegs korrekt beziffern. Die Krankheit hatte also die viel gepriesene Aufmerksamkeit erfahren, der Großteil der Frauen aber nichts Brauchbares gelernt. Dafür waren offenbar Ängste und Sorgen gewachsen. Gewonnen ist damit überhaupt nichts.

© SZ vom 12.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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