Kommentar:Menschen sind keine Rohrpost

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Patrick Illinger ist Leiter im Ressort Wissen. (Foto: sz)

Die die Idee einer Hochgeschwindigkeitsbahn ließ diese Woche aufhorchen: Doch das auf dem Reißbrett faszinierend aussehende Vorhaben ist schlichtweg absurd.

Von Patrick Illinger

Eine groteske Schlammschlacht unter Managern, Gründern und Investoren des Unternehmens Hyperloop One hat in dieser Woche Schlagzeilen in der Wirtschaftspresse gemacht. Die Streiterei lässt ahnen, dass es um die Firma alles andere als gut steht. Nun wäre das Ganze nur eine Fußnote in den Annalen der unzählbaren Silicon-Valley-Seifenopern, ginge es nicht um ein spektakuläres Projekt. Um ein Vorhaben des Internet-Milliardärs Elon Musk. Der hat neben Elektroautos (Tesla) und neuartigen Raumschiffen (SpaceX) vor drei Jahren die Idee einer Hochgeschwindigkeitsbahn ausgearbeitet, eine Art Rohrpost für Menschen. Mit 1200 km/h sollen Fracht und Passagiere durch Röhren geschossen werden. Das könnte die Fahrdauer zwischen Großstädten wie San Francisco und Los Angeles auf ein Bruchteil heutiger Reisezeiten reduzieren.

Wird in Zukunft die Reise zwischen Großstädten nur einige Minuten dauern?

Doch wie realistisch ist das Projekt, jenseits der aktuellen Personalquerelen? Werden in wenigen Jahren Menschen in nur 35 Minuten durch halb Kalifornien rasen? Oder in acht Minuten von Wien nach Bratislava, wie es die slowakische Regierung bereits begutachten lässt? Auch Strecken wie Paris-Amsterdam, Helsinki-Stockholm, Moskau-Sankt Petersburg kämen infrage. Die Aussicht auf kürzere Reisezeiten ist für Vielfahrer und ICE-Stammkunden natürlich attraktiv. Zylinderförmige Passagierkabinen sollen durch Röhren gleiten, in denen nur ein Tausendstel des üblichen Atmosphärendrucks herrscht, um den Luftwiderstand zu minimieren.

Bei aller Technik-Euphorie: Das auf dem Reißbrett faszinierend aussehende Vorhaben ist schlichtweg absurd. Anders als es PR-Skizzen glauben machen, wären die Fahrgastzellen fensterlos und in luftdicht verschweißten Stahlröhren unterwegs. Die Enge wäre bedrückend, ein Aufstehen unmöglich. Kleinste Erdbewegungen, wie sie in Kalifornien an der Tagesordnung sind, würden massive Erschütterungen der Kabinen auslösen, von einem Erdbeben nicht zu sprechen. Eine Notbremsung würde 15 Sekunden dauern und die Passagiere mit der doppelten Erdbeschleunigung in die Gurte pressen. Und was dann? Wie viele Notausstiege kann es auf einer Hunderte Kilometer langen Strecke geben? Was passiert, wenn Menschen stundenlang in einer Dose eingeschlossen sind, die wiederum in der vakuumierten Röhre steckt?

Sind das nur alberne Ängste, wie sie einst bei der Einführung der Eisenbahn aufkamen? Damals hieß es, die Lungen würden bei 30 km/h platzen. Nein, es ist keine übersteigerte Technikfeindlichkeit, sondern Realismus, wenn man die Idee einer Rohrpost für Menschen einfach nur beknackt findet.

© SZ vom 23.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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