Klimawandel:Städtische Fußbodenheizung

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Das Erdreich unter dicht bebauten Flächen wärmt sich auf. Karlsruher Forscher zeigten, dass die Wärme unter ihrer Stadt reichen würde, um 18.000 Haushalte ein Jahr lang zu heizen.

Von Andreas Frey

Wie es im Untergrund einer Großstadt aussieht, ignorieren viele Menschen - selbst Wissenschaftler. Aber dass es sich lohnt, wenige Meter in die Tiefe hinunterzusteigen, belegt eine Studie des Karlsruher Ingenieurgeologen Philipp Blum im Fachmagazin Environmental Science and Technology (online). Zusammen mit Kollegen von der ETH Zürich hat er Wärmeinseln unter seiner Heimatstadt entdeckt, für die sich bisher kaum jemand interessierte - und die deshalb ungenutzt blieben. Und nicht nur das: Der Boden unter der Stadt erwärmt sich seit Jahrzehnten immer stärker, wie er mithilfe von Sensoren im Grundwasser nachwies. Ursache dafür ist die dichtere Bebauung und der Klimawandel.

Demnach hat der Wärmestrom im Jahr 2011 im Vergleich zu 1977 um zehn Prozent zugenommen - auf jetzt 828 Milliwatt pro Quadratmeter. "Diese Wärme würde reichen, um 18.000 Haushalte in Karlsruhe ein Jahr lang zu heizen", sagt er. Fließt das Grundwasser unter der Stadt durch, erwärmte es sich teilweise um mehrere Grad Celsius im Vergleich zum Umland. Wie und ob diese Wärme überhaupt genutzt werden könnte, ist allerdings noch unklar. Möglich wären Erdwärmesonden und Grundwasserpumpen. Blum interessierte zunächst, woher die Wärme stammte.

Mithilfe eines komplexen Wärmestrom-Modells, das Oberflächentemperaturen, Stadtstruktur und Grundwassertemperaturen berücksichtigte, fand er heraus, dass hauptsächlich versiegelte Oberflächen und Gebäude Wärme ins Erdreich abstrahlen. Häuser haben beispielsweise eine durchschnittliche Temperatur von 17 Grad. Abwasserkanäle und Fernwärmeleitungen heizten den Boden hingegen nur minimal auf. Ihr Anteil betrug höchstens zehn Prozent, was sich vor allem lokal auswirkte.

Keller, Tiefgaragen, Klimaanlagen verursachen Hot Spots

Auch der natürliche Wärmestrom aus dem Erdinneren trug nur marginal zur Erwärmung des Untergrunds bei. Wahre Hot Spots gibt es in Karlsruhe überall dort, wo Gebäude mit großen Kellern, Tiefgaragen und leistungsstarken Klimaanlagen stehen. Die Innenstadt strahlt besonders viel Wärme ab, während die Temperatur unter grünen Flächen am wenigsten zunimmt.

Welch gute Wärmeleiter Asphalt und Beton sind, zeigte sich bei der Tiefgarage Gürzenich in Köln, die lange leer stand. Nach der Wiedereröffnung wärmte sich das Grundwasser unter der Tiefgarage um 1,8 Grad auf, zeigten Messungen.

Wie gut sich der Untergrund einer Stadt erwärmt, hängt neben der Bebauung und Versiegelung grundsätzlich davon ab, wie tief die Grundwasser führende Schicht liegt, wie thermisch leitfähig das Gestein ist und wie warm das Grundwasser ist. Untersuchungen in anderen Städten hätten gezeigt, dass das Phänomen ein globales ist, sagt Blum. In manchen deutschen Städten überschritt die Grundwassertemperatur im Sommer sogar die kritische Marke von 20 Grad.

Räumlich ergaben sich große Unterschiede: Im Süden Münchens war das Grundwasser mit kaum zehn Grad empfindlich kühl, während es im Zentrum um mehrere Grad anstieg. Im Schnitt schwankt die Temperatur des Grundwassers zwischen Stadt und Land um drei bis sieben Grad.

Auffällig ist, dass der Effekt im Untergrund größer ist als der bereits besser untersuchte Wärmeinseleffekt an der Oberfläche von Städten. Die Stadt ist im Vergleich zu ihrem Umland in der Regel etwa zwei Grad wärmer. Besonders im Sommer und bei viel Sonne spürt man den Wärmeinseleffekt. Den weltweit größten Unterschied zwischen Stadt und Land haben Meteorologen im kanadischen Vancouver gemessen. Er betrug zwölf Grad.

Welche Auswirkungen das wärmere Grundwasser unter Städten auf die Wasserqualität und auf Kleinstlebewesen hat, ist bisher ebenfalls kaum erforscht. Sicher ist nur: Die Temperatur wird in den kommenden Jahrzehnten infolge von Urbanisierung und Klimawandel weiter stetig zunehmen.

© SZ vom 24.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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